Ronaikel Brito ist 16 Jahre alt und die dritte Generation einer Familie von Müllsammlern in Barquisimeto, einer Stadt westlich der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Mit einer spitzen Metallstange und einem Sack macht er sich jeden Tag bei Sonnenaufgang auf den Weg durch die staubigen Straßen zur Müllhalde Pavia. Wie viele andere erhofft er sich, hier Abfälle oder Lebensmittel zu finden, die er verkaufen oder an die Tiere wie Pferde, Ziegen oder Schweine verfüttern kann.
In den letzten Monaten brauchten die Müllsammler allerdings länger, um Abfall zu finden, den sie in irgendeiner Weise wiederverwerten konnten. Denn die akute Wirtschaftskrise in Venezuela und die restriktiven Quarantäne- und Lockdown-Maßnahmen des letzten Jahres haben die Produktionsaktivitäten auf ein Minimum reduziert. Dies hat dazu geführt, dass nützliche Abfälle sehr knapp und schwieriger zu finden sind. "Früher kamen mehr Dinge, aber jetzt kommt fast nichts mehr. Im Moment schaue ich mich um, um zu sehen, was ich finden kann, aber ich sehe nichts", sagt der Teenager.
Um der steigenden Armut entgegenzusteuern, muss sich für Henkel García, Direktor von Econometrica, einem Unternehmen, das Wirtschafts- und Finanzstudien durchführt, in Venezuela etwas grundlegend ändern. "Es muss für ein wirtschaftliches Wachstum gesorgt werden, das unsere Realität lindern kann, das genug Wohlstand erzeugen kann, um Millionen von Menschen aus der Armut zu bringen. Nur so kann diese Art von Ereignissen, dass Menschen im Müll wühlen müssen, vermieden werden", sagt der Wissenschaftler. Doch in der abgelegenen Ödnis von Pavia kümmern sich die jungen Müllsammler wenig um Wirtschaftsprognosen. Sie tauchen weiterhin jeden Tag in die Deponie ein und hoffen, dass sie dort etwas finden, das sie zumindest durch die nächsten paar Tage bringen wird.
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