Wegen Impfstoffkaufs: Pfizer übte massiven Druck auf südamerikanische Regierungen aus

Argentinien, Brasilien und andere südamerikanische Länder lehnten im vergangenen Jahr den Kauf des Impfstoffs von BioNTech und Pfizer ab. Die überzogenen Forderungen bei Aussetzung von Regressansprüchen wegen möglicher Impfschäden waren für sie inakzeptabel.

Zahlreiche Länder Lateinamerikas beklagen laut des Bureau of Investigative Journalism die Vorgehensweise des US-Pharmariesen Pfizer. Dieser soll extremen Druck auf die Regierungen zahlreicher südamerikanischer Staaten ausgeübt haben.

Streitpunkte sollen insbesondere die Frage nach Schadenersatzzahlungen und Sicherheiten für etwaige künftige Prozesskosten wegen möglicher Impfschäden gewesen sein. So habe Pfizer die betreffenden Staaten unter anderem aufgefordert, staatliche Vermögenswerte – darunter Reserven der jeweiligen Nationalbanken, Botschaftsgebäude und Militärbasen – als Pfand für mögliche zukünftige Rechtsstreitigkeiten zu hinterlegen.

 

Pfizer führte insgesamt Verhandlungen mit mehr als 100 Ländern und supranationalen Organisationen, aus denen Lieferverträge mit neun Ländern in Lateinamerika und der Karibik resultierten: Konkret sind das Chile, Kolumbien, Costa Rica, die Dominikanische Republik, Ecuador, Mexiko, Panama, Peru und Uruguay. Die konkreten Bedingungen dieser Abkommen sind nicht bekannt.

Einer der von Journalisten des in London sitzenden Bureau of Investigative Journalism (TBIJ) interviewten Beamten, der bei den Verhandlungen eines dieser Länder mit Pfizer dabei gewesen war und aufgrund einer Verschwiegenheitsklausel nicht offen sprechen darf, bezeichnete das Vorgehen des New Yorker Konzerns mit deutschen Wurzeln als "Mobbing auf hohem Niveau". Dem Beamten zufolge sollen Pfizer-Manager die Regierung gedrängt haben, mehr Dosen zu kaufen, als die staatlichen Verantwortlichen budgetiert hatten. Eine Verhandlungsführerin soll darauf moralinsauer erwidert haben:

"Kaufen Sie mehr, Sie werden Menschen töten, Menschen werden Ihretwegen sterben."

Die Regierung habe sich den Zugang zu den Impfstoffen gegen COVID-19 betreffend "erpresst gefühlt". Hier war offenbar für einige Staatslenker eine rote Linie überschritten.

So hatte sich Brasiliens Staatschef Jair Bolsonaro im Dezember sogar öffentlich über die Forderungen von BioNTech und Pfizer lustig gemacht. Sollten sich Impfwillige nach der Spritze in "einen Kaiman" verwandeln, sei das deren Problem, gab der grundsätzlich impfkritisch eingestellte Präsident deutlich zu verstehen.

Auch der zweitgrößte Staat Südamerikas brach die Verhandlungen mit Pfizer ab und setzt dagegen auf Sputnik V. "Pfizer hat sich gegenüber Argentinien falsch verhalten", sagte Ginés González Garcia dem TBIJ. "Dessen Intoleranz uns gegenüber war ungeheuerlich", ergänzte der 75-Jährige, der von Dezember 2019 bis Februar 2021 Argentiniens Gesundheitsminister gewesen war.

Im Andenstaat Peru machte sich Pfizer analog zu den anderen Staaten durch überzogene Forderungen ebenfalls nicht beliebt:

"Soweit ich weiß, wollte sich Pfizer Staatseigentum aneignen, wenn Peru nicht zahlen kann. Unpfändbares. Ich kann nicht bestätigen, was konkret gemeint war. Aber in Peru wurde als Beispiel Eigentum im Ausland genannt", erklärte der ehemalige peruanische Gesundheitsminister Víctor Zamora dem ARD-Weltspiegel. Auch wollte das US-Unternehmen mögliche Klagen bei selbstverschuldeten Fehlern von vornherein ausschließen, beispielsweise, wenn Pfizer den falschen Impfstoff verschickt oder es einen "Irrtum bei der Herstellung" gibt.

Der renommierte britische Wissenschaftler Mark Eccleston-Turner von der britischen Keele University mit Schwerpunkt Völkerrecht und globale Gesundheit beschrieb das Vorgehen von Pfizer auf Twitter als

"wirklich eine der skandalösesten Geschichten, die mir in der Weltgesundheit begegnet ist".

Dennoch können laut Pedro Villarreal vom Max-Planck-Institut, einem Spezialisten für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, die Pharmaunternehmen immer davon ausgehen, dass sie einen Impfstoffabnehmer finden.

Wenn eine Regierung ihre Bedingungen nicht akzeptierte, würden sie einen anderen Staat finden. "So können sie sich diese harte Art von Verhandlungen leisten", gab Villarreal im ARD-Weltspiegel zum Besten.

Die meisten Regierungen haben die Impfstoffhersteller, von denen sie Vakzine beziehen, weitestgehend vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt und übernehmen selbst die Prozesskosten im Falle möglicher Spätfolgen der Impfung anfallen würden. 

Die Südamerikaner widersetzten sich diesen Forderungen Pfizers. Zur Frage der Haftungsübernahme in Deutschland äußerte sich der Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit Oliver Ewald am 18. Dezember 2020:

"Wenn es durch die Anwendung des Impfstoffes zu einer Schädigung kommt, dann kommt – je nach Fallgestaltung – eine Haftung des pharmazeutischen Unternehmers aufgrund verschiedener gesetzlicher Grundlagen in Betracht. Das kann sich aus dem Arzneimittelrecht, aus dem Produkthaftungsgesetz, ergeben. Außerdem gelten die allgemeinen Haftungsregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch. Im Infektionsschutzgesetz selbst ist auch genau geregelt, wann jemand einen Antrag auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz stellen kann. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand durch eine Impfung, die von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen wurde, gesundheitlichen Schaden erlitten hat."

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