Auf der Libyen-Konferenz am Sonntag in Berlin sprachen sich die Teilnehmer für ein Waffenembargo und ein Ende der militärischen Unterstützung für die Konfliktparteien aus. Nun sollen rasch erste Schritte zur Umsetzung der Ergebnisse folgen. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel soll es bald ein erstes Treffen geben, auf dem die Grundlage für einen gefestigten Waffenstillstand geschaffen werden soll. Momentan besteht in dem nordafrikanischen Land nur eine Waffenruhe zwischen den verfeindeten Parteien.
Auf der einen Seite steht die international anerkannte Regierung von Ministerpräsident Fayiz as-Sarradsch, die aber nur kleine Gebiete rund um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes hält. Ihr Gegenspieler ist General Chalifa Haftar mit seinen Verbündeten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen und ebenfalls aus dem Ausland unterstützt werden. Sarradsch und Haftar waren bei der Berliner Konferenz anwesend, saßen jedoch nicht mit am Verhandlungstisch.
Nun steht die Frage im Raum, wer die Einhaltung des Waffenembargos und eines etwaigen Waffenstillstands überwachen soll. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell drängt darauf, dass sich die Europäer maßgeblich an der Überwachung der Beschlüsse beteiligen. Kurz vor dem Gipfel sagte Borrell:
Ich denke, die Europäer sollten sich bei der Umsetzung stark engagieren, mehr als in der Vergangenheit, um das Waffenembargo zu kontrollieren. Man kann nicht erwarten, dass der Waffenstillstand hält, wenn die Waffenströme nach Libyen nicht kontrolliert werden.
Bundeswehr in Libyen? Merkel hält Debatte für voreilig
Griechenland und Italien haben sich bereits bereit erklärt, an einer EU-Mission zur Überwachung des Embargos teilzunehmen. Auch nach Ansicht des Vizevorsitzenden der Bundestagsfraktion der Union Johann Wadephul sollte es Aufgabe der Europäer sein, die Umsetzung der Beschlüsse zu überwachen.
Wir können nicht tolerieren, dass Libyen auf lange Sicht Tummelplatz für Waffenschmuggler, Menschenhändler und islamistische Terroristen bleibt", so der CDU-Politiker.
Wadephuls Parteichefin schloss eine Beteiligung der Bundeswehr an einem solchen Einsatz nicht aus. Wenn ein nachhaltiger Waffenstillstand vereinbart sei und international abgesichert werden müsse, "wird natürlich auch die Frage kommen, wie soll das geschehen", sagte Annegret Kramp-Karrenbauer am Sonntag. Dass Deutschland sich dann "mit der Frage auseinandersetzen muss, was können wir dazu einbringen", sei "vollkommen normal", so die Verteidigungsministerin.
Die Bundeskanzlerin äußerte sich zurückhaltend zu einer Bundeswehr-Beteiligung und hält die Debatte darüber für verfrüht. "Ich finde, wir dürfen jetzt doch nicht den übernächsten Schritt vor dem ersten diskutieren", sagte Merkel nach dem Libyen-Gipfel.
Einige Teilnehmer der Konferenz hätten zwar davon gesprochen, dass man auch eine Überwachung eines dauerhaften Waffenstillstands ins Auge fassen könne, wenn es denn zu einem solchen komme und wenn die libyschen Parteien dazu bereit seien. "Aber darüber ist heute nicht konkret gesprochen worden", betonte Merkel.
Der Weg, einen Waffenstillstand, wie man ihn absichert, der spielt überhaupt erst dann eine Rolle, wenn man einen dauerhaften Waffenstillstand hat. Und diesen Weg haben wir heute eröffnet, indem wir jetzt erst mal diese Waffenruhe haben, indem das Militärkomitee tagen wird", so die Kanzlerin.
Auch Außenminister Heiko Maas betonte, zunächst müsse aus der brüchigen Waffenruhe ein dauerhafter Waffenstillstand werden:
"Und dieser wird auch beobachtet werden müssen. Da geht es nicht gleich um Militäreinsätze, da kann es erst mal um Beobachtermissionen gehen. Und darüber wird jetzt zu reden sein.
In der ersten Februarhälfte werden sich alle Außenminister der an der Berliner Konferenz beteiligten Staaten und die internationalen Organisationen in Deutschland "wiedertreffen, um diesen Prozess zu begleiten, zu beobachten und auch dafür zu sorgen, dass er bei den Menschen in Libyen ankommt", kündigte Maas an.
Bürgerkrieg ist Altlast westlicher Militärintervention
Ausgelöst wurde der Bürgerkrieg in Libyen durch eine militärische Intervention westlicher Staaten, die im März 2011 begann. Eine UN-Resolution zur Errichtung einer Flugverbotszone zum Schutz von Zivilisten diente seinerzeit den USA, Frankreich und Großbritannien als Deckmantel, um den libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi zu stürzen.
Durch Militärschläge gegen die Armee machte die Koalition den vornehmlich islamistischen Aufständischen den Weg frei zur Eroberung der Hauptstadt Tripolis – was von Moskau als Missbrauch des UN-Mandats scharf kritisiert wurde. Im Oktober 2011 geriet Gaddafi schließlich in die Hände der Aufständischen und wurde gelyncht, nachdem NATO-Kampflugzeuge zuvor seinen Konvoi unter Beschuss genommen hatten.
Auch damals bestand bereits ein Waffenembargo, das für alle Konfliktparteien galt. Die NATO hatte eigens die Operation "Unified Protector" zur Überwachung des Embargos ins Leben gerufen. Dennoch lieferte Frankreich Waffen an die Aufständischen, was vom russischen Außenminister Sergei Lawrow damals als "grobe Verletzung des geltenden UN-Embargos" kritisiert wurde.
Heute steht die Türkei im Zentrum der Vorwürfe, gegen das Embargo zu verstoßen. Die Militärintervention 2011 hatte Ankara scharf kritisiert und jegliche Beteiligung an der Operation seiner NATO-Partner ausgeschlossen. Der damalige Ministerpräsident und heutige Präsident der Türkei Recep Tayyip Erdoğan mahnte, in der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass militärische Interventionen Probleme nur verschärften.
Die Militärintervention 2011 destabilisierte auch die Lage im Nachbarland Mali, wohin zahlreiche Waffen und Kämpfer aus Libyen strömten. Zur Stabilisierung der Lage in Mali beteiligt sich die Bundeswehr seit 2013 an der UN-Mission "MINUSMA" sowie an der EU-Mission "EUTM Mali".
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(rt /dpa)