Ein lang gehegter Traum erfüllt sich: Senegal eröffnet "Museum der Schwarzen Zivilisation"

Über Jahrhunderte pflegten westliche "Gelehrte" und Medien das Bild eines "geschichtslosen" Afrikas. Gleichzeitig wurde der Kontinent seines kulturellen Erbes und damit der Identität beraubt. Das nun eröffnete Museum will dem Narrativ ein Ende setzen.

Im April 1966 erklomm Leopold Sedar Senghor, seines Zeichens Dichter und erster Präsident des offiziell unabhängigen Senegal, die Stufen der Nationalversammlung in Dakar, um sein Land zur vorläufigen Hauptstadt der schwarzen Zivilisation zu erklären, als das Weltfestival der schwarzen Künste eröffnet wurde. Bis dahin und noch heute gilt der afrikanische Kontinent vielen als "geschichtsloser Kontinent", der erst durch den Kontakt mit Europäern das Licht der Welt, oder vielmehr der Zivilisation erblickte.

In den folgenden Wochen gaben sich afrikanische Koryphäen wie Nelson Mandela und der Schriftsteller Wole Soyinka in der senegalesischen Hauptstadt die Klinke in die Hand, ebenso wie andere aus der weiteren afrikanischen Diaspora: Die Jazz-Legende Duke Ellington, der Dichter Aimé Césaire, der Schriftsteller George Lamming und die amerikanischen Schriftsteller Langston Hughes und Amiri Baraka.

Dakar war kurzzeitig Gastgeber schwarzer Kulturschaffender, die entweder eigene Genres kreierten oder diese inspirierten. Die Afrikanische Befreiungsbewegung, die Harlem-Renaissance, Jazz und die Negritude-Bewegung, in der auch Senghor eine führende Figur war, waren vor Ort vertreten. Trotz ihrer Unterschiede teilten sie den Optimismus, dass Menschen afrikanischer Abstammung, wo immer in der Welt sie waren, ihre eigene Zukunft definieren würden.

Durchdrungen von diesem Glauben an die Zukunft und einen panafrikanischen Geist der Gemeinschaft, trat Senghor auf, um eine neue Vision für ein postkoloniales Afrika zu präsentieren. Kunst und Kultur sollten im Zentrum der Entwicklung stehen. Und den Mittelpunkt würde ein Museum im Senegal bilden, das die vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen der Afrikaner und das gesammelte Wissen auf dem Kontinent und der Diaspora präsentieren würde.

52 Jahre später erfüllte sich nun dieser Traum. Am Mittwoch eröffnete in der senegalesischen Hauptstadt Dakar das "Museum of Black Civilization" (Museum der Schwarzen Zivilisation). Der Anspruch: Die Dekolonisierung afrikanischen Wissens. Über Jahrhunderte wurde die Geschichte des Kontinents aus der Perspektive anderer, mit ihren Interessen und Vorurteilen, erzählt und beschrieben. Fake-News, Propaganda und Desinformation prägten das Bild Afrikas und traten, nur selten hinterfragt, ihren weltweiten Siegeszug an. Nun möchte man die eigene Geschichte wieder selbst erzählen und den Afrikanern mutmaßlich die Möglichkeit geben, durch das Wissen um die eigene Geschichte, die eigenen Beiträge zur Menschheitsentwicklung, auch Inspiration und Kraft für eine tatsächlich selbstbestimmte Zukunft zu schöpfen.

Das Museum möchte als Inspirationsquelle dienen und dazu beitragen, das hartnäckige Narrativ des ewig rückständigen, passiven und "schwarzen Kontinents" wieder ins rechte Licht zu rücken. Kein Prestige-Projekt in Form eines Staudamms im Nirgendwo oder eines Präsidentenpalastes, finanziert durch die Übergabe schwarzer Koffer, sondern eines, das anknüpft an die sogenannte "Afrikanische Renaissance", wie sie der ehemalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki beschrieb.

Es ist ein Symbol von nicht zu unterschätzender Tragweite, dass es China war, das die Finanzierung des Projekts in Form eines kolossalen Gebäudekomplexes übernahm.

Senegals Kulturminister Abdoul Latif Coulibaly bezeichnete die Eröffnung des Museums dann auch als Beginn eines neuen Kapitels in der "Förderung der schwarzen Zivilisationen in der Welt". In Anbetracht der Zusage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vom vergangenen Jahr, afrikanische Kunstwerke, die sich in den Museen des Landes stapeln, zurückzugeben, und des von ihm in Auftrag gegebenen Sarr-Savoy-Berichts kündigte Coulibaly auch Pläne an, formelle Rückführungsansprüche in Frankreich einzureichen.

Wenn 10.000 Stücke in den (französischen) Sammlungen identifiziert werden, bitten wir um alle 10.000", erklärte der Minister des Weiteren.

Bis zu 90 Prozent des afrikanischen Kulturerbes und damit der identitären Basis werden in europäischen und nordamerikanischen Museen gehortet.

Auch in diesem Zusammenhang erklärte Museumsdirektor Hamady Bocoum, dass die neue Institution hoffe, andere Nationen durch die Unterbringung ihrer Kunst und Objekte zu unterstützen.

Wir können nicht Gefangene dessen sein, was wir nicht besitzen", erklärte Bocoum bereits 2016 gegenüber Le Monde.

Stattdessen möchte man sich auf die Arbeit mit lebenden Künstlern konzentrieren, von denen viele internationale Anerkennung gefunden haben. Ebenso arbeitet Bocoum an internationalen Partnerschaften und das Museum ist bereits im Gespräch mit dem Musée du Quai Branly in Paris. Ebenso plant man eine Zusammenarbeit mit dem Londoner British Museum und dem Smithsonian Institute.

Wir wollen kein Museum für Ethnographie oder Anthropologie einrichten, uns nicht in ein Ghetto einsperren. Wir wollen schwarze Zivilisationen lebendig darstellen, aber auch für den Dialog der Kulturen öffnen, Brücken bauen. Die Rolle eines Museums besteht nicht darin, ein Gefühl der Andersartigkeit zu schaffen, sondern eine Botschaft des Teilens zu vermitteln. Wir wollen, dass die Afrikaner stolz auf ihre Wurzeln sind, dass sie ihr Selbstwertgefühl wieder stärken, aber auch offen für den Dialog sind", erläutert Bocoum das Konzept der Institution.

Laut einer Erklärung soll das kuratorische Mandat generell eine "politische, kulturelle, künstlerische und wirtschaftliche Antwort der 'Negritude' auf die technologische und kulturelle Abwertung der schwarzen Zivilisationen" sein. Daher werde das Programm auch den Beitrag Afrikas zur Entwicklung von Wissenschaft und Technologie berücksichtigen, der außerhalb und innerhalb Afrikas durch die Indoktrination anhand fremdbestimmter Narrative nach wie vor kaum Berücksichtigung findet. In diesem Sinne möchte man den Schwerpunkt auch nicht auf historische Tragödien legen, sondern die Leistungen der Afrikaner und der Mitglieder der afrikanischen Diaspora feiern.

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