Chinas "neokoloniales" Vorgehen auf dem afrikanischen Kontinent sei fahrlässig, da das Reich der Mitte seine Investitionen in Infrastruktur-Projekte nicht an politische Bedingungen knüpfe. Ganz anders die ehemaligen Kolonialstaaten Europas und die USA, denen es vor allem um die Menschenrechte, Demokratie und "gute Regierungsführung" gehe. Wo dieses sendungsbewusste Selbstverständnis herrührt, bleibt derweil ein Rätsel, aus der Geschichte etlicher inszenierter Staatsstreiche oder des Paktierens mit Diktaturen lässt es sich zumindest nicht erklären.
Und auch jetzt wieder geht es den Vereinigten Staaten vermeintlich vor allem um das Wohl des ugandischen Volkes. Um die Bevölkerung vom Joch des Yoweri Museveni zu befreien, baut sie aktuell den bisherigen Entertainer und politischen Neuling Robert Kyagulanyi Ssentamu, Künstlername Bobi Wine, zum neuen Oppositionsführer Ugandas auf.
Wie in vielen Ländern der Welt, besteht auch in Uganda das Problem darin, dass die aktuelle Staatsführung alles andere als unbescholten ist, die vonseiten der USA zur Nachfolge auserkorene Reihe von Politikern, aber keineswegs aus offensichtlichen Gründen dazu angetan scheint, die Situation für die Menschen tatsächlich zu verbessern. Dabei gibt es wohl kaum ein Beispiel, das die Einflussnahme auf politische Entwicklungen und die inneren Angelegenheiten eines fremden Landes offensichtlicher macht als der Fall von Bobbi Wine.
Wine betrat die politische Bühne im Jahr 2017. Bereits 2018 begab er sich in Richtung Vereinigte Staaten, um sich dort an der Havard Kennedy School im Kurs "Leadership for the 21st Century" einzuschreiben – einer Kaderschmiede für zukünftige Staatenlenker im Sinne der globalen Verbreitung der US-Interpretation von Freiheit und Demokratie.
Kaum aus den USA zurück, griffen Anhänger Wines den Motorradkonvoi des Präsidenten an, woraufhin Wine wegen Verrats in Gewahrsam genommen wurde. Die BBC berichtete im August 2018:
Den [ugandischen] Behörden zufolge führten oppositionelle Abgeordnete den Angriff mit Steinen auf den Konvoi des Präsidenten an. In dessen Verlauf wurde Bobi Wines Fahrer erschossen.
Wie bei allen innerhalb der westlichen Hemisphäre in Ungnade gefallenen oder unbeliebten Staatenlenkern der Welt, konnte die BBC als eines der Primärorgane des westlichen Narrativs nicht umhin, von einer "politisch motivierten" Inhaftierung zu sprechen.
Die Anschuldigungen werden weitgehend als politisch motiviert angesehen, darauf ausgerichtet, einen prominenten Kritiker des Präsidenten zum Schweigen zu bringen. Die USA verurteilen 'das "brutale Vorgehen' der Sicherheitskräfte gegen Parlamentsmitglieder, Journalisten und andere.
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Im September weilte Wine dann erneut in Übersee, um sich mutmaßlich aufgrund seiner "Verletzungen behandeln" zu lassen. Dennoch fand der politische Nobody offensichtlich genügend Zeit, sich mit dem US-Außenministerium zu besprechen, Washingtoner Lobbyisten zu treffen und Kolumnen für die Washington Post zu schreiben.
Wenn es Menschen erlaubt ist zu sprechen, zu protestieren und sich zu organisieren, wenn die Amtszeiten begrenzt und die Wahlen transparent sind, wenn die Presse frei ist und die Beamten zur Verantwortung gezogen werden, gibt es keine Musevenis. Deshalb erleben wir eine zunehmende Zensur – darunter Ausfälle von Sendungen von Voice of America, aber auch andere ungeschickte Versuche, die Ugander im Dunkeln zu halten.
Dass Wine ernsthaft an der Notwendigkeit und Möglichkeit einer Verbesserung der Lebensumstände seiner Landsleute interessiert ist, kann nicht gut begründet in Abrede gestellt werden. Voice of America als globale Stimme der Entrechteten zu betrachten, offenbart bestenfalls einen Hang zur romantischen Verklärung US-amerikanischer Softpower. Ob diese dazu angetan ist, die Dunkelheit zu erhellen, gilt es zu bezweifeln. der offensichtliche Glauben des ehemaligen Sängers Wine an die moralische Integrität seiner Gastgeber aus Washington mag derweil in der Indoktrination durch genau diese medialen Werkzeuge angloamerikanischer Interessen begründet liegen.
Deren Arm ist global weit verzweigt und umfasst auch die sich mehrheitlich in Besitz der Agha Khan Stiftung für Wirtschaftliche Entwicklung befindliche The Nation Media Group mit Sitz in Nairobi/Kenia. Das Medienerzeugnis hält mit Partnerschaften etwa zur Bill and Melinda Gates Stiftung und dem International Press Institute nicht hinterm Berg.
Derweil stellte sich heraus, dass sich Wine nunmehr ausgerechnet vom Lobbyisten Robert Amsterdam rechtlich vertreten lässt, zu dessen Klienten auch illustre Persönlichkeiten wie Michail Chodorkowski zählen,. Während einer Pressekonferenz am 6. September verkündete Amsterdam unumwunden, dass man sich im Kampf um die Menschenrechte in Uganda die Unterstützung der US-Regierung wünsche:
Wir werden mit Kongressabgeordneten und Mitgliedern verschiedener Abteilungen, einschließlich des Außenministeriums, zusammentreffen, und wir werden ihnen Einzelheiten über die Ereignisse in Uganda, die Brutalität, die wirklich kriminellen Aktivitäten und die täglichen Menschenrechtsverletzungen vermitteln.
Dass es sich bei dem Wunsch nach einem Regime Change um eine neue Wendung in der Geschichte der geopolitischen Interessen der USA handelt, wurde ebenfalls indirekt deutlich:
Und wir wollen, dass der amerikanische Steuerzahler weiß, dass der amerikanische Steuerzahler dies finanziert. Die militärische Ausrüstung, die wir nach Uganda liefern, wird in einem Terrorkrieg gegen die Bürger Ugandas eingesetzt.
Zwischenzeitlich bezieht das ostafrikanische Land den Großteil seiner Rüstungsgüter aus Russland und China, nicht aus den Vereinigten Staaten. Ob ebenfalls ein neuer Oppositionsführer vonnöten wäre, wenn die "Ausrüstung" mit denen die Musevini-Regierung demnach "foltert" ausschließlich aus US-Produktion stammten, muss an dieser Stelle unbeantwortet bleiben.
Dass China und Russland die ausschlaggebende Motivation darstellen, die Menschen Afrikas vor sich selbst zu beschützen, wird auch in den folgenden Worten Amsterdams deutlich. Dabei können die USA, wie ihre europäischen Partner, auf eine lange Geschichte der Einmischung in die inneren Angelegenheiten Afrikas, insbesondere in Uganda, zurückgreifen.
Dies ist kein Einzelfall. Uganda hat eine reiche Geschichte der politischen Gewalt, eine kontinuierliche Geschichte, die der Westen weitgehend ignoriert hat. Wir können es nicht länger ignorieren. Wir können Afrika nicht länger ignorieren. In den letzten Wochen war die deutsche Kanzlerin auf Afrika-Tournee, Gott sei Dank. Die Chinesen haben Staatschefs aus ganz Afrika nach Peking eingeladen.
Dass der Lobbyist behauptet, "der Westen" habe die "Geschichte der Gewalt" "weitgehend ignoriert", lässt sich nur mit einer partiellen Amnesie historischer Fakten und destabilisierender Aktivitäten auf afrikanischem Boden erklären.
Im Lehrbuch historischer Realitätsverdrehung und interessengesteuerter Menschlichkeit darf auch der Bezug zu Wladimir Putin nicht fehlen.
Das Museveni-Regime bedient sich aus Seiten aus dem Buch von Herrn Putin. Sie foltern dich, sie vergiften dich. Sie haben Menschen in England vergiftet, und dann nennen sie es Fake News.
Die Geschichte Ugandas als britische Kolonie, die erst formell unabhängig wurde, um dann während des Kalten Krieges bis heute zwischen Großmächten hin- und hergerissen zu werden, stellt das Land zweifellos bis heute vor immense Herausforderungen. Diese und die Regierungsführung Ugandas sind und sollten jedoch die Angelegenheit der dortigen Bevölkerung bleiben. Sich im Namen womöglich ehrenhafter politischer Ambitionen zum Werkzeug fremder Interessen mit unrühmlicher Tradition von Einmischung, Zerstörung und Gewalt auf afrikanischem Boden zu machen, zeugt derweil nicht von solidem politischem Sachverstand.