von Ali Özkök
Ein Konvoi französischer Soldaten wurde im Rahmen ihrer sogenannten Anti-Terror-Operation "Barkhane" im konfliktbeladenen Norden Malis mit einer Autobombe angegriffen. Der ehemalige Außenminister des malischen Nachbarstaates Tschad kritisiert im Gespräch mit RT Deutsch den engstirnigen militärischen Ansatz Frankreichs in Mali, der zum Scheitern verurteilt sei.
Am Sonntag führten Extremisten in der Nähe der Stadt Gao im Norden von Mali einen Bombenanschlag gegen französische Truppen durch. "Ich bestätige, dass es eine Autobombe war, die in eine gemeinsame Patrouille der Barkhane-Truppen und malischen Armee fuhr", wurde der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Boubacar Diallo, zitiert.
Das malische Verteidigungsministerium erklärte weiter, dass zusätzlich zu den Toten mindestens 31 Menschen, darunter acht französische Soldaten, bei dem Angriff in der Nähe des nördlichen Stadtausgangs von Gao verletzt worden seien.
Das Ministerium hatte zunächst mitgeteilt, dass auch französische Soldaten zu den Toten gehörten. Diese Aussage wurde im weiteren Tagesverlauf revidiert. Ein Sprecher der französischen Armee bestätigte, dass am Sonntag eine Patrouille von etwa 30 Soldaten in Gao angegriffen wurde und dass eine Reihe von Zivilisten getötet wurden.
In Gao sind auch Soldaten der Bundeswehr stationiert, die sich an der UN-Mission MINUSMA beteiligen. "Heute hat der Terrorismus wieder feige in Mali zugeschlagen", erklärte die französische Verteidigungsministerin Florence Parly auf Twitter. "Zivilisten haben ihr Leben verloren, und französische Militärs sind verletzt."
Der französische Militärsprecher Patrik Steiger erklärte, dass die Explosion auf drei französische Fahrzeuge abgezielt habe. Der Anschlag "verursachte eine Reihe von zivilen Opfern, darunter auch Kinder. Die [französische] Einheit wurde ins Visier genommen", fügte Steiger hinzu.
Anonyme Quellen berichteten der Nachrichtenagentur Reuters, dass dem Autobombenanschlag eine fast 15-minütige Schießerei zwischen den Angreifern und den Soldaten gefolgt sei.
Fatouma Wangara, eine Anwohnerin, sagte der Agentur AFP, dass ein französischer Konvoi von einer Selbstmord-Autobombe getroffen wurde. "Ein gepanzertes Fahrzeug blockierte den Weg, und das Auto explodierte", sagte sie. Ein weiterer Einheimischer erzählte, dass das Gebiet um den Ort des Angriffs vom französischen Militär abgeriegelt worden sei.
Ehemaliger Außenminister Tschads kritisiert Frankreichs Rolle in Afrika
Acheikh Ibn-Oumar, ehemaliger Außenminister des Tschad, das zur von Frankreich geführten Militärallianz in der Sahelzone gehört, hinterfragt im Gespräch mit RT Deutsch die Herangehensweise Frankreichs im Kampf gegen den Terrorismus:
Spektakuläre Angriffe auf hochkarätige französische Ziele, ob militärisch oder zivil, sind unvermeidlich. Die bloße französische Militärpräsenz ist kein relevantes Kriterium für die Stabilität im Land. Echte Stabilität beruht wiederum auf einem eng verwobenen sozialen Gefüge, einem starken Gefühl der nationalen Einheit, soliden und effizienten Institutionen, einschließlich der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, und dem Vertrauen in die Regierung. Man kann diese Aufgaben niemals erreichen, indem man sich nur darauf konzentriert, immer mehr Truppen aus dem Ausland zu mobilisieren.
Ibn-Oumar ist der Meinung, dass die westliche Militärmission kurzfristig angelegt sei und grundlegende Probleme in der Sahelzone nicht nachhaltig löse:
Französische, US-amerikanische und andere militärische Interventionen können zwar dazu beitragen, das Schlimmste vorübergehend zu vermeiden. So können sie verhindern, dass die totale Kontrolle eines Landes an eine terroristische Gruppierung fällt, aber die grundlegenden Ursachen werden auf lange Sicht nicht ausgerottet und können sich sogar noch verschlimmern.
Der ehemalige hochrangige Politiker aus dem Tschad bemerkte zwar, dass der Anti-Terrorkampf eine legitime Antwort auf eben terroristische Bewegungen sei, aber zugleich auch ein Vorwand schaffe, dass Frankreich sowie die USA wieder verstärkt Truppen nach Afrika verlegen können.
Der Anschlag fand einen Tag vor einem geplanten Treffen der G5-Sahelgruppe (Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger) mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron statt. Die Allianz will die Fortschritte der gemeinsamen Task Force bei der Terrorismusbekämpfung in der Region besprechen.
Extremistische Kämpfer eroberten 2012 den Norden Malis. Seitdem kämpfen Regierungstruppen darum, den Aufstand, angeführt von Tuareg-Stämmen und dschihadistischen Milizen, einzudämmen. Daraufhin startete Frankreich die Operation Barkhane, in deren Rahmen über 4.500 französische Truppen in die Sahelzone entsandt wurden. Die Operation ist der größte französische Einsatz im Ausland. Seitdem haben sich die Angriffe in dem umkämpften Land weiter nach Süden ausgebreitet.
Am vergangenen Freitag wurden mehrere Menschen, darunter zwei französische Soldaten, bei einem Selbstmordanschlag auf das Hauptquartier der G5-Sahel-Truppen in der Innenstadt von Sévaré getötet. Am Samstag wurden andernorts vier malische Soldaten getötet, als ihr Fahrzeug über eine Landmine in der zentralen Region Mopti fuhr. Die jüngste Anschlagswelle unterstreicht nochmals die fragile Sicherheitslage in der westafrikanischen Nation, die sich auf die Wahlen am 29. Juli vorbereitet.
Die Al-Qaida-nahe sogenannte "Unterstützungsgruppe für den Islam und Muslime", die wichtigste bewaffnete dschihadistische Allianz in der Sahelzone, bekannte sich am Freitag in einem Telefonat mit der mauretanischen Nachrichtenagentur Al-Akhbar zum Bombenanschlag.
Mauretaniens Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz, dessen Land Teil der französisch dominierten G5-Allianz ist, monierte, dass Sicherheitsmängel die Arbeit der G5-Truppen behindern würden. Er sagte, dass der Angriff am Freitag "das Herz der Sicherheit der Region getroffen" habe.
Frankreich möchte die G5-Militärallianz insgesamt auf 5.000 Soldaten aus fünf Nationen - Burkina Faso, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger – aufstocken. Trotz umfassender finanzieller Förderung in dreistelliger Millionenhöhe aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten soll laut französischen Angaben die G5-Allianz unter Finanzierungsproblemen leiden, wie der Fernsehsender Al Dschasira schreibt. Gehälter an Soldaten sollen nicht ausgezahlt worden sein, zudem sei die Koordinierung zwischen den afrikanischen Alliierten noch immer mangelhaft, heißt es.
Gewalt durch bewaffnete Gruppen mit Verbindungen zu Al-Qaida und dem "Islamischen Staat", die zum Teil Allianzen mit benachteiligten Tuareg-Stämmen gegen entsprechende Zentralregierungen eingehen, haben in den letzten Jahren trotz der französischen Militärpräsenz in der Sahelzone zugenommen. Der Konflikt breitete sich inzwischen auf Burkina Faso und Niger aus.
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