Von Andrei Restschikow und Ilja Abramow
Die ukrainische Regierung hat im vergangenen Jahr eigenes Militär nach Sudan geschickt, um am Konflikt zwischen Khartums Streitkräften und den Rapid Support Forces (RSF) teilzunehmen. Wie The Wall Street Journal unter Verweis auf Quellen berichtet, habe sich der Vorsitzende des Souveränen Rates von Sudan Abdel Fattah Burhan mit einer entsprechenden Bitte an Selenskij persönlich gewandt. Im Sommer des vergangenen Jahres wurde Burhan vorübergehend von den aufständischen RSF in der Hauptstadt Khartum eingekesselt.
Kiew beschloss zu helfen, weil Burhan seinerseits nach dem Beginn der russischen Militäroperation auch heimlich Waffen an die Ukraine geliefert hatte. Die ersten hundert Kämpfer von ukrainischen Spezialeinheiten kamen wenige Wochen nach der Anfrage nach Sudan. Sie sollen an Kämpfen gegen die Rebellen der RSF teilgenommen haben. Im September des vergangenen Jahres traf sich Selenskij mit Burhan auf dem irischen Flughafen Shannon. "Wir haben die gemeinsamen Herausforderungen an unsere Sicherheit besprochen, nämlich die Tätigkeit von illegalen bewaffneten Verbänden, die von Russland finanziert werden", behauptete damals der ukrainische Staatschef.
Der Konflikt in Sudan war im Frühling des vergangenen Jahres eskaliert, als nach Streitigkeiten zwischen dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte und zugleich Oberhaupt des Souveränen Rates als De-facto-Staatsoberhaupt Abdel Fattah Burhan und seinem Stellvertreter, dem Kommandeur der RSF Mohammed Hamdan Daglo, Machtkämpfe in Merowe und Khartum begannen. Burhan und Daglo stritten sich um die Fristen für die Eingliederung der RSF in die reguläre Armee von Sudan sowie darüber, wer die Streitkräfte kommandieren soll.
All das geschah vor dem Hintergrund einer Spaltung der sudanesischen militärischen Eliten, die um Macht und Zugang zu Ressourcen kämpften, darunter auch Goldminen. Wenige Monate nach Beginn des Konflikts fand sich das Land am Rande eines Bürgerkriegs wieder. Die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen allen politischen Kräften von Sudan über den Beginn einer weiteren Übergangsperiode scheiterte. Die Kämpfe griffen auf die Hauptstadt und einige der 18 Bundesstaaten über. Nach Angaben des lokalen Ärztekomitees stieg die Zahl der Todesopfer in den ersten Monaten des Konflikts auf über 800, mehr als 3.500 Menschen wurden verwundet.
Der Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR Kirill Budanow weigerte sich, gegenüber The Wall Street Journal Angaben über die Entsendung von ukrainischen Truppen nach Sudan zu kommentieren. Er merkte aber an, dass Kiew daran interessiert sei, Russlands Interessen auch in Drittstaaten zu beeinträchtigen. "Wir befinden uns im Zustand eines vollwertigen Krieges mit Russland. Sie haben Verbände in unterschiedlichen Teilen der Welt, und manchmal versuchen wir, sie anzugreifen", sagte Budanow.
Ein ukrainischer Offizier, der eine der nach Sudan geschickten Einheiten kommandiert haben soll, behauptete, dass es unmöglich sei, "Russland zu besiegen, wenn man an einem so kleinen Erdabschnitt wie der Frontlinie in der Ukraine, kämpft". Er vermutete, dass Moskau im afrikanischen Land über Goldminen verfügen könnte, die das ukrainische Militär somit unprofitabel machen solle.
Indessen baut Russland enge Verbindungen zu vielen afrikanischen Staaten auf. So billigte Sudans Regierung die Einrichtung eines russischen Marinestützpunktes in Port-Sudan am Roten Meer, wie am 5. März Sudans Außenminister Ali al-Sadiq Ali in einem Interview für die Nachrichtenagentur RIA Nowosti erklärte. In Khartum ist die Ratifizierung dieses Abkommens allerdings noch nicht abgeschlossen.
Zum ersten Mal wurde noch im Herbst 2020 über dieser Vereinbarung berichtet. Doch bereits im folgenden Jahr hatte der Generalstabschef Mohammed Osman al-Hussein von Sudan erklärt, dass Khartum das Abkommen revidieren werde. Im März 2022 erklärte Mohammed Hamdan Daglo jedoch, dass Sudan keine Einwände gegen die Errichtung des russischen Stützpunktes habe, solange dies nicht die nationale Sicherheit beeinträchtigen würde. Laut dem Dokument dürfe die Höchststärke des Personals des Stützpunkts, der durch Russland unterhalten werden soll, 300 Personen nicht übersteigen, und höchstens vier russische Schiffe dürfen sich dort gleichzeitig befinden.
Experten stimmen darin überein, dass Kiew tatsächlich eigenes Militär nach Sudan geschickt haben könnte – allerdings nicht aus freien Stücken. "Ich bin bereit zu glauben, dass Selenskij Militärs nach Sudan schickte, denn es gab bereits einen Fall, als ukrainische Truppen nach Irak geschickt wurden. Darüber hinaus wurden unter Juschtschenkos Präsidentschaft im Jahr 2008 Luftabwehrkomplexe ausgemustert und an Georgien übergeben. Deswegen sind gegen Russland gerichtete Aktionen im Ausland, selbst solche zum eigenen Nachteil, für die ukrainische Führung ein normales Verhalten", sagt der ukrainische Politologe Wladimir Skatschko.
"Für Selenskijs jetzige Entscheidung kann es mehrere Gründe geben. Erstens geht es um Geld und Russophobie, die ebenfalls in Finanzmittel konvertiert werden kann. Er wollte zeigen, dass er gegen Moskau auf der ganzen Welt kämpfe und deswegen Geld und Waffen benötige. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass das ukrainische Militär beginnt, weltweit im Auftrag der westlichen Staaten zu operieren, um zusätzliche Mittel zu erhalten", bemerkte der Experte.
"Ein weiterer Faktor, der eine Rolle bei dieser Entscheidung spielen könnte, ist die Erfahrung, die ukrainische Militärs sammeln. Noch der ukrainische Präsident Kutschma sagte, als er Truppen nach Irak schickte, dass die Kämpfer dort Erfahrung sammeln und Geld verdienen sollen. Doch wie dem auch sei, sind solche Einsätze sehr riskant, und Selenskij wird bei diesem Abenteuer mehr verlieren als gewinnen", erklärte Skatschko.
"Insgesamt passt dieses Narrativ in den Gesamtkontext der PR-Kampagne der Ukraine und speziell des GUR, der sich selbst als ein wertvolles Instrument zur Eindämmung Russlands zu 'vermarkten' versucht", ergänzte Andrei Maslow, der Direktor des Instituts für Afrikastudien der Wirtschaftshochschule Moskau. Der Afrikanist merkte an, dass die Verbreitung von Meldungen über "angebliche Überfälle ukrainischer Saboteure auf angebliche russische Militärangehörige in Sudan" mit großem Aufwand verbreitet wurden, doch deren Wahrheitsgehalt fragwürdig sei.
"Zuvor hatten russische Militärangehörige in Sudan hauptsächlich als Militärausbilder fungiert und Wachfunktionen erfüllt", erklärt Jelena Suponina, eine Politologin und Expertin des Russischen Rats für internationale Angelegenheiten. Dabei merkte sie an, dass das Abkommen über den Marinestützpunkt gegenwärtig eingefroren wurde. Suponina zufolge haben Meldungen über Teilnahme ukrainischer Militärs an Einsätzen in Sudan "nichts mit der Realität zu tun". Sie erklärte: "Einige Ukrainer verdingen sich als Söldner auf der ganzen Welt, während Kiew dies als irgendwelche planmäßigen und permanenten Aktionen darzustellen versucht." Die Politologin betonte, dass die Ukraine nicht in der Lage sei, Russlands Interessen zu schaden.
"Ich bin nicht überrascht, dass Meldungen über ukrainische Soldaten in Afrika auftauchen. Zuvor behaupteten die Kiewer Machthaber, dass sie Russland auf diesem Kontinent entgegentreten würden. Doch Selenskij ist keinesfalls in der Lage, irgendwelche Prozesse in dieser Region zu beeinflussen. Solche Aktionen zeigen lediglich, dass unser Gegner eine Sicherheitsbedrohung für mehrere Länder ist", meinte der Senator Konstantin Dolgow.
"Ich vermute, dass die Fäden entweder nach Paris oder nach Washington, D.C. führen. Präsident Emmanuel Macron ist über den steigenden russischen Einfluss in Afrika besorgt, weil Frankreich den Kontinent für sein (aus Kolonialzeiten) traditionelles Einflussgebiet hält. Auch die USA sind über die Zusammenarbeit zwischen Moskau und den afrikanischen Ländern unzufrieden. Deswegen könnte ein westlicher Staat mit der Ukraine eine Vereinbarung treffen und das ukrainische Militär zur Lösung eigener Probleme instrumentalisieren", erklärte Dolgow. Er fügte hinzu, dass die Entsendung von Truppen nach Sudan für Selenskij durchaus auch finanziell vorteilhaft sein könnte.
Nach Meinung des Senators sei der ukrainische Präsident eine westliche Marionette und werde "alles tun, was man ihm sagt". Abschließend erklärte Dolgow: "Ich bin mir sicher, dass weder die Ukraine noch der Westen die Entwicklung unserer Beziehungen zu afrikanischen Ländern stören werden können. Wir arbeiten intensiv mit Staaten aus der Region zusammen, darunter auch im militärischen Bereich. Entsprechende Abkommen haben wir auch mit Sudan. Die Bewohner des Kontinents beurteilen die Situation in der Welt richtig."
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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