Von Andrew Korybko
Russlands "Rückkehr nach Afrika" sieht die Pflege von für beide Seiten vorteilhaften Partnerschaften mit mehreren Dutzend Ländern des Kontinents vor, was in einigen Fällen von der Großmacht ein sorgfältiges Ausbalancieren zwischen gewissen Paarungen von Rivalen erfordert, wie etwa zwischen den neuen BRICS-Mitgliedern Ägypten und Äthiopien. Eine friedliche Zusammenarbeit mit dem einen Land könnte von dem anderen als durch Hintergedanken des Rivalen getrieben angesehen werden, was die Gefahr in sich birgt, einen sich selbst aufschaukelnden Eskalationskreislauf im Sinne des Konzepts eines Sicherheitsdilemmas in der Theorie der Internationalen Beziehungen zu entfachen.
Das Dreieck Ägypten–Russland–Äthiopien ist bisher von solcher Dynamik verschont geblieben, weil die beiden afrikanischen Partner in diesem Beispiel aufgrund jahrzehntelanger strategischer Partnerschaften aufrichtiges Vertrauen zu Moskau haben, was bei anderen Ländern in solchen Dilemmata nicht der Fall ist. So ist etwa das Dreieck Eritrea–Russland–Äthiopien wohl viel heikler als das erstgenannte, da die russisch-eritreischen Beziehungen erst seit Kurzem aufblühen und noch nicht so tief verwurzelt sind wie die beiden anderen.
Das wäre aber kein Problem, wenn sich die Beziehungen zwischen Eritrea und Äthiopien weiterhin auf dem positiven Weg befänden, den der eritreische Präsident Isayas Afewerki (von der Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit PFDJ) und der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed (PM) im Sommer 2018 gemeinsam eingeschlagen haben, aber das frühere Sicherheitsdilemma ist im vergangenen Jahr leider wieder aufgetaucht. Wie in dieser Analyse erläutert wurde, hat Afewerki das Abkommen zur Einstellung der Feindseligkeiten zwischen dem äthiopischen Premierminister Abiy und der Volksbefreiungsfront von Tigray wahrscheinlich als Verrat empfunden, nachdem er durch dieses Abkommen mit einem bisher gemeinsamen Feind überrascht worden war.
Das erneute Misstrauen zwischen diesen beiden Ländern setzte den bereits erwähnten selbsttragenden Eskalationszyklus in Gang, der für dieses erwähnte Konzept der Internationalen Beziehungen charakteristisch ist und den die meisten Beobachter außerhalb der Region bis vor Kurzem nicht kannten. Obwohl die Beziehungen offiziell nach wie vor herzlich sind, ist die Wiederkehr von gegenseitigem Misstrauen nicht zu leugnen, wenn man die jüngsten Äußerungen der jeweiligen Gesellschaften in den sozialen Medien verfolgt.
Einige Eritreer vermuten, dass der Premierminister Abiy mit der Priorisierung der Pläne friedlicher Häfen seines Landes eigentlich territoriale Ansprüche auf ihr Land erhebt, während einige Äthiopier vermuten, dass Eritrea insgeheim seine frühere Politik der Unterstützung bewaffneter regierungsfeindlicher Gruppen in Äthiopien wieder aufgenommen haben könnte. Diese gegenseitigen Verdächtigungen haben dazu beigetragen, das Vertrauen zwischen beiden Gesellschaften zu verschlechtern und die Wunden wieder aufzureißen, die ihre Oberhäupter durch eine historische Annäherung im Sommer 2018 zu heilen versuchten.
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, welcher Seite ein Leser hier die Schuld für die beschriebene autokatalytische Abfolge von Ereignissen zuweisen wollte, da der Zweck der Erwähnung lediglich darin besteht, darauf hinzuweisen, dass das Sicherheitsdilemma dieser Region zurückgekehrt ist und erneut die Dynamik am Horn von Afrika bestimmt. Dies stellt eine Herausforderung für Russlands vorsichtigen Balanceakt zwischen Eritrea und Äthiopien dar, weil es nicht als selbstverständlich angesehen werden kann, dass das eine Land auf die friedliche Zusammenarbeit des Kremls mit dem anderen Land nicht überreagieren könnte.
Schließlich handelt es sich bei Eritrea um keinen traditionellen Partner Russlands, zu dem die Beziehungen erst im vergangenen Jahr aufblühten, während Äthiopien ein traditioneller Partner Russlands ist, zu dem die guten Beziehungen mehr als ein Jahrhundert alt sind. Das Konzept des Sicherheitsdilemmas in der Theorie der Internationalen Beziehungen legt daher nahe, dass Eritrea die für beide Seiten vorteilhaften Beziehungen zwischen Russland und Äthiopien als von den Hintergedanken Äthiopiens getrieben ansehen könnte, da die Beziehungen zwischen Asmara und Moskau nicht annähernd so tief verwurzelt sind wie die von Addis Abeba.
Hier kommen einige Hintergrundinformationen für diejenigen, die die russische Politik am Horn von Afrika bisher nicht verfolgt haben:
- 28. Juli 2022: "Die russisch-äthiopischen Beziehungen sind das perfekte Modell einer multipolaren Partnerschaft"
- 30. Januar 2023: "Lawrows Reise nach Eritrea bringt Russlands multipolare Strategie für das Horn von Afrika voran"
- 15. April 2023: "Russlands großartige Strategie am Horn von Afrika und in den Ländern am Roten Meer"
- 2. Juni 2023: "Der eritreische Präsident verdient Anerkennung für seine multipolare Vorreiterrolle"
- 8. Juni 2023: "China und Russland haben die Medienblockade des Westens gegen den eritreischen Präsidenten Afewerki durchbrochen"
- 19. Juli 2023: "Einblick in den Russland-Afrika-Gipfel und dessen geopolitische Bedeutung"
- 30. Juli 2023: "Jeder sollte die Erklärung des eritreischen Präsidenten Afewerki zum neuen Kalten Krieg lesen"
Die darin enthaltenen Erkenntnisse werden für den Leser hier zusammengefasst.
Kurz gesagt stellt Russland sich vor, dass Eritrea ein politisch zuverlässiger Partner in der strategischen Region des Roten Meeres ist, wobei die bilateralen Beziehungen durch eine potenzielle militärische (durch die Marine) und rohstoffbezogene Zusammenarbeit verankert werden. Ergänzend dazu könnte Eritrea theoretisch auch den Handel zwischen beiden Partnern erleichtern, allerdings nur, wenn zunächst das regionale Sicherheitsdilemma gelöst wird. Die jüngste Verschärfung der oben erwähnten Spannungen, die Russland bis vor kurzem möglicherweise nichts wusste, könnte somit eine unerwartete Herausforderung für die russische Politik darstellen.
Jeder Versuch Russlands, das Sicherheitsdilemmas am Horn von Afrika hinsichtlich der Dimension um die Häfen friedlich zu lösen, um einen künftigen Konflikt über dieses heikle Thema möglichst zu vermeiden, könnte von Eritrea als Mittel missverstanden werden, das auf seine Kosten Äthiopien einen Vorteil verschaffen solle. Beobachter sollten sich daran erinnern, dass Russlands Beziehungen zu verfeindeten Länderpaaren wie Armenien/Aserbaidschan, China/Indien, China/Vietnam, Ägypten/Äthiopien, Iran/Israel und Syrien/Türkei und anderen stets die jeweiligen objektiven Interessen aller Seiten berücksichtigen.
Russland hat noch niemals etwas unternommen, was glaubhaft als zu Lasten der Interessen des einen oder des anderen Landes interpretiert werden könnte, auch wenn solche vorsichtigen Balanceakte zwischen den beteiligten Ländern vom Westen stets fälschlicherweise als vom Motiv eines Nullsummenspiels statt vom Bestreben nach gegenseitigen Vorteilen getrieben darstellt werden. In Anbetracht der mehr als 120 Jahre alten Beziehungen Russlands zu Äthiopien, das ebenfalls gerade BRICS-Mitglied geworden ist, kann man natürlich erwarten, dass Moskau informell solche Vorschläge zur Unterstützung von Addis Abeba unterbreitet.
So dient beispielsweise die informell vorgeschlagene Reihe von Abkommen zwischen Dschibuti, Äthiopien und dem Südsudan unter russischer Führung, die in den verlinkten Analysen am Ende dieser "Häufig gestellten Fragen zu Äthiopiens Suche nach einem eigenen Hafen am Roten Meer" ausführlich erläutert wurden, genau diesem Zweck. Die Leser werden sehen, dass sie die politische Realisierbarkeit von Gesprächen zwischen Eritrea und Äthiopien über dieses sensible Thema ausdrücklich ausschließen, sich stattdessen ausschließlich auf Dschibuti und den Südsudan konzentrieren und in keiner Weise einen Krieg gegen Eritrea bedeuten.
Dennoch brach in der eritreischen Online-Gemeinschaft Wut hervor, nachdem dieser informelle Vorschlag veröffentlicht worden war, der eigentlich darauf abzielt, den Druck auf ihr Land zu verringern und so das erneut die Dynamik bestimmende Sicherheitsdilemma am Horn von Afrika verantwortungsvoll bewältigen könnte. In diesem Beitrag sind die schlimmsten Beispiele dokumentiert worden. Dies untermauert die Befürchtung, dass das neu entstandene Sicherheitsdilemma zwischen Eritrea und Äthiopien in der Gesellschaft von Eritrea die Wahrnehmung der friedlichen und für beide Seiten vorteilhaften Beziehungen Russlands zu diesem Land beeinträchtigt hat.
Das Besondere an dieser Gesellschaft ist, dass sie aufgrund der besonderen Beziehungen zwischen den beiden Ländern in der Regel die inoffizielle Stimmung in dem Staat zu sensiblen Themen kanalisiert. Aus Gründen der nationalen Sicherheit ist der öffentliche Diskurs innerhalb Eritreas eingeschränkt, während die Diaspora verpflichtet ist, eine Steuer zu zahlen, da sie sonst Gefahr läuft, dass ihr etwa die Dienste der Konsulate verweigert werden. Diese Verbindungen zwischen Gesellschaft und Staat erklären, warum die öffentliche Meinung der Gesellschaft zu sensiblen Themen oft auch die der Regierung widerspiegelt.
Die Aufregung, die durch die informell vorgeschlagene, von Russland initiierte Reihe von Vereinbarungen zur Lösung des regionalen Sicherheitsdilemmas ausgelöst wurde, deutet darauf hin, dass der Staat Eritrea dieses Szenario irrationalerweise als unfreundlich betrachten könnte. Die Führung könnte sich daher distanzieren wollen, wenn Russland solche Schritte in diese Richtung unternimmt, was auch deshalb möglich ist, weil Äthiopien jetzt ein weiterer BRICS-Partner ist. Die russischen Entscheidungsträger täten also gut daran, die aus diesem Beispiel gewonnenen Erkenntnisse für die Zukunft im Hinterkopf zu behalten.
Übersetzt aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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