Hunderte Menschen haben in vergangenen Tagen in der ostlibyschen Stadt Darna protestiert. Sie machten ihrem Ärger über die Behörden Luft und forderten Rechenschaft – eine Woche, nachdem eine Überschwemmung Tausende Einwohner getötet und ganze Stadtviertel zerstört hatte. Bei der Demonstration vor der Al-Sahaba-Moschee in der Stadt richteten sich die Demonstranten am Montag gegen Beamte, darunter gegen den Vorsitzenden des libyschen Parlaments im Osten des Landes, Aguila Saleh. Die Protestierenden fordern unter anderem den Rücktritt Salehs.
Vergangene Woche versuchte Saleh, die Schuld von den Behörden abzulenken, indem er die Flut als "beispiellose Naturkatastrophe" bezeichnete und mahnte, man solle sich nicht darauf konzentrieren, was man hätte unternehmen können oder sollen.
Eine Woche nach den schweren Überschwemmungen in Libyen hat sich die Zahl der Toten deutlich erhöht. Nach Angaben des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) kamen allein in der stark zerstörten Hafenstadt Darna etwa 11.300 Menschen ums Leben. Am Montag warnten die Vereinten Nationen, dass Krankheitsausbrüche in der von der Flutkatastrophe heimgesuchten Stadt eine zweite verheerende Krise" auslösen könnten. Lokale Beamte, Hilfsorganisationen und die Weltgesundheitsorganisation "sind besorgt über das Risiko des Ausbruchs von Krankheiten, insbesondere durch verunreinigtes Wasser und fehlende sanitäre Einrichtungen", so die UN.
In Libyen gibt es zwei rivalisierende Regierungen: Eine von der UNO anerkannte mit Sitz in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes und eine weitere Regierung mit Sitz in der östlichen Stadt Benghazi, die faktisch von General Khalifa Haftar regiert wird.
Der Protest am Montag war die erste große Demonstration seit der Überschwemmung, als zwei Stau-Dämme außerhalb der Stadt Darna gebrochen waren und eine verheerende Flutwelle ausgelöst hatten. Beobachter und Analysten sind überzeugt, dass das Chaos in Libyen seit dem Sturz und der Ermordung von Muammar Gaddafi im Jahr 2011 die Instandhaltung der lebenswichtigen Infrastruktur in den Hintergrund gedrängt hat. Libyen ist in den letzten Jahren zum Schauplatz zahlreicher Stellvertreterkonflikte geworden, unter anderem unter Beteiligung von Ägypten, Russland, der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate.
Es ist allerdings schwer zu sagen, wie viel Einfluss diese Staaten auf die ungewissen Wahlen haben können. Al-Gaddafi war 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt worden. Das Land versank danach in Chaos und Bürgerkrieg. Seither florieren auch Sklaven-, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel in Libyen.
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