Eskalationspotenzial im Sahel – Außenamt rät deutschen Bürgern zur Ausreise

Nach dem Umsturz in Niger droht die Situation zu eskalieren. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS verhängt Sanktionen und droht sogar mit militärischer Intervention. Mali, Burkina Faso und Guinea stellen sich an die Seite Nigers. Die EU, Frankreich und Deutschland stützen den Eskalationskurs.

Die letzte Bastion Frankreichs – und damit der Europäischen Union (EU) – in der afrikanischen Sahel-Region ist gefallen. Mit dem Putsch in Niger verliert die EU weiter an Einfluss. Entsprechend scharf sind die Reaktionen – und entsprechend hoch ist das Eskalationspotenzial. 

Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS droht mit militärischen Maßnahmen, sollte der durch das nigrische Militär gestürzte Präsident Mohamed Bazoum nicht wieder in sein Präsidentenamt eingesetzt werden. Frankreich hält allem Anschein nach weiterhin Kontakt zu Bazoum. Damit erinnert die Situation an jene in Burkina Faso. Dort brachen im Oktober 2022 antifranzösische Proteste aus, nachdem Gerüchte über eine Einmischung Frankreichs die Runde machten, denen zufolge Frankreich den abgesetzten Präsidenten schützten und wieder in sein Amt einsetzen wollten. 

ECOWAS ist ein westafrikanischer Wirtschaftsverbund, der organisatorisch viele Parallelen zur EU aufweist und dessen Ziel gleichfalls die immer weiter gehende Integration seiner Mitgliedsstaaten ist. Geplant ist beispielsweise eine eigene Währung. Historisch hat sich dieser Bund nach der Auflösung der Kolonie Französisch-Westafrika herausgebildet. Sowohl die geschichtliche Verbindung als auch die deutlich erkennbaren Anleihen bei der EU deuten auf einen nach wie vor starken europäischen Einfluss im Bündnis hin.

Umso brisanter wirkt daher die Erklärung von zwei der Bündnismitglieder, nämlich Mali und Burkina Faso, dass diese einen Angriff durch ECOWAS auf Niger als eine Kriegserklärung auch gegen sich werten würden. Es droht dort also sogar ein Flächenbrand. Und auch Guinea, ebenfalls Mitglied bei ECOWAS, stellt sich nun an die Seite Nigers. 

Die EU setzt auf Eskalation – wie bereits in anderen Fällen. Frankreich hat unmittelbar nach dem Sturz seine Hilfszahlungen ausgesetzt. Niger reagierte mit dem Verbot des Exports von Gold und Uran nach Frankreich. Sowohl Frankreich als auch Deutschland begrüßten dagegen die Drohung durch ECOWAS. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte mit:

"Die Europäische Union unterstützt alle Maßnahmen, die die ECOWAS als Reaktion auf den Staatsstreich ergriffen hat."

Dass allem Anschein nach der Putsch von einer Mehrheit der Bürger Nigers unterstützt wird, interessiert unter den Beamten und regierenden Politikern in Brüssel, Paris und Berlin offenbar niemanden. Dass es im Jahr 2014 beim Putsch auf dem Maidan in der Ukraine genau umgekehrt war und dass der darin angeblich ausgedrückte "Bürgerwille" sich nach Vorstellungen der EU unmittelbar in der Neuordnung der politischen Beziehungen niederschlagen sollte, macht die EU unglaubwürdig in ihrem derzeitigen außenpolitischen Agieren, das doch angeblich von Werten und klaren Regeln geleitet wird. 

Damit wird deutlich, dass die EU auch im Ausland lediglich eigene Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen durchsetzt will. In Niger unterhält Frankreich einen Luftwaffenstützpunkt. Sollten sich die EU und Frankreich in dem Konflikt militärisch engagieren, würde sicherlich ihre Position hinsichtlich des Ukraine-Konflikts international weiter unter Druck geraten. 

Dass eine weitere militärische Eskalation zu erwarten ist, machen Flugoperationen für Evakuierungen deutlich. Sowohl Frankreich als auch Deutschland haben bereits auch Reisewarnungen für Niger ausgegeben und rufen ihre Bürger vor Ort dazu auf, das Land zu verlassen.

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