Wie das Uran zum Fluch von Afrika wurde

Die Putschregierung in Niger hat den Export von Gold und Uran verboten. Bisher hatte Frankreich eine Monopolstellung beim Abbau und Kauf des Urans aus Niger für die eigene Atomenergieindustrie und hielt das afrikanische Land de facto immer noch in einer kolonialen Abhängigkeit.

Von Sergei Sawtschuk, RIA Nowosti

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Anzahl von Konfliktherden auf der geopolitischen Weltkarte verringern wird, und nun ist Afrika an der Reihe. Medien berichten, dass Niger offiziell den Export von Uran und Gold nach Frankreich eingestellt hat. Dies erklärte die neue Regierung, die durch innere Unruhen plötzlich an die Macht gekommen war. Die Entscheidung ist bereits in Kraft getreten, das heißt, dass die Ströme des gelben und des radioaktiven Metalls schon versiegelt sind und die Perspektive ihrer Wiedereröffnung sehr zweifelhaft ist.

Unser Informationsumfeld ist auf Europa und den Westen konzentriert, was durchaus verständlich ist. Allerdings geht dadurch dem neugierigen russischen Geist eine überaus reiche und interessante Welt verloren, die Afrika verkörpert.

Speziell die Republik Niger und die dortigen gegenwärtigen Geschehnisse stellen das Musterbeispiel einer Kolonialdiktatur dar, auf der der ganze zur Schau gestellte westliche Wohlstand aufgebaut ist. Außerdem ist dies die eindrucksvollste Bestätigung der Worte Wladimir Putins, dass die alte Weltordnung verfällt und die Welt in eine gänzlich neue Epoche eintrete.

Überlassen wir, wie üblich, politische und sonstige Einzelheiten den entsprechenden Spezialisten und sprechen wir vom afrikanischen Reichtum an Bodenschätzen, der für so manchen Staat des Schwarzen Kontinents zum Fluch wurde.

Niger ist ein großflächiges Land im Westen Afrikas, dessen Großteil karge Wüsten einnehmen. Achtzig Prozent der Fläche nimmt die Saharawüste ein, und im restlichen Teil kämpfen die Einheimischen verzweifelt mit der Halbwüste Sahel um jeden Meter Ackerland. In den späten 1950er Jahren wurden in diesen Gebieten große Vorräte an Uran und Gold entdeckt, insbesondere die Uranvorräte nahe der Ortschaft Azelik wurden für die in Schwung kommende weltweite Atomenergieindustrie interessant. Industrielle Uranförderung in dieser Region begann im Jahr 1971. Obwohl Niger zu diesem Zeitpunkt bereits formell unabhängig war, wurden sämtliche Bodenschätze ausschließlich in Interessen und zugunsten der ehemaligen Metropolie abgebaut.

Westliche Presse und Propaganda versuchten mit allen Kräften, das Bild eines komplett unabhängigen Landes zu zeichnen, doch das laufende Jahr 2023 brachte alles an seinen Platz.

Seit nunmehr einem halben Jahrhundert werden in Niger etwa 2.000 Tonnen Uranerz pro Jahr gefördert, was das Land auf Platz sieben des entsprechenden weltweiten Rankings bringt. Tatsächlich arbeiten vor Ort zwei Unternehmen – SOMAÏR und COMINAK. Ihre gesamte Produktion landet in den Zentrifugen des Konzerns Orano SA. Bemerkenswerterweise ist sogar auf der Webseite des französischen Nuklearbrennstoffherstellers angegeben, dass seit den Siebzigerjahren der Verkauf von Gold und Uran den Großteil des nationalen und regionalen Einkommens ausmacht. Freilich wird verschwiegen, dass der gesamte Export restlos in die bisherige französische Metropole geht. Das heißt, dass Paris Niger bis auf den letzten Tropfen aussaugt und im Gegenzug Papierschnipsel für die Auffüllung des kärglichen Staatshaushalts gibt.

Bekannterweise ist Frankreich das Land mit dem größten Atomenergieanteil in Europa. In vielerlei Hinsicht wurde diese Hegemonie durch unaufhörlichen Import aus Niger gewährleistet, wo in drei Bergwerken ohne Wochenendpausen und Urlaub geschuftet wird.

Das erste ist das offene Bergwerk von SOMAÏR, von dem 63 Prozent der französischen Orano und 37 Prozent dem von der Regierung Nigers verwalteten Unternehmen SOPAMIN gehören. Die Förderung wird hier im Tagebau mithilfe von Haldenlaugung betrieben, wozu eine dreiprozentige Schwefelsäurelösung eingesetzt wird. Im Durchschnitt werden so etwa zweieinhalb Tonnen Brennstoff pro Jahr gefördert. Insgesamt wurden hier bereits etwa 70.000 Tonnen Uran abgebaut.

An zweiter Stelle kommt das Bergwerk COMINAK, von dem Orano 59 Prozent der Aktien besitzt. Im Jahr 2021 hatte der französische Konzern einen 25-prozentigen Anteil von der japanischen Gesellschaft OURD gekauft. Weitere 31 Prozent gehören der einheimischen SOPAMIN AG, und die restlichen zehn Prozent der spanischen Aktiengesellschaft ENUSA. Im Jahr 2019 wurde die aktive Förderung hier eingestellt, allerdings wird gegenwärtig dank der Entwicklung von neuen Technologien, Wiedergewinnung und Anreicherung des Erzes aus den Halden betrieben.

Außerdem liegt zwischen den Orten Arlit und Agadez die Lagerstätte Imouraren, an der die bereits erwähnte Orano einen Anteil von 66 Prozent hält. Dieses Vorkommen wird nicht abgebaut, denn bis heute reichen die zwei vorgenannten Bergwerke für die französische Atomindustrie aus. Doch hierbei sollten einige Fakten berücksichtigt werden. Imouraren ist derzeit nur ein Tagebau mit über 200 Quadratkilometer Fläche, mit nachgewiesenen Uranvorräten im Umfang von 174.000 Tonnen Konzentrat und einer Betriebsdauer von mindestens 35 Jahren bei ununterbrochener Förderung.

Nach offenen Angaben der internationalen Agentur OEC kauft Frankreich nach dem Stand von 2021 jährlich Uran und Thorium im Ausland ein. Dabei ist der Hauptlieferant ausgerechnet Niger, während die Kosten für die Käufe aus Italien und Russland weniger als ein Zehntel der für die afrikanischen ausmachen.

Natürlich ist die Rohstoffhandelskomponente der bilateralen Handelsbeziehungen viel komplizierter, doch selbst diese einfachen Werte machen klar, warum Frankreichs Regierung den Machtwechsel sofort als illegitim und das Exportverbot als für die Grundlagen der französischen Staatssicherheit als bedrohlich bezeichnete. Es ist keine Kleinigkeit: Uranlieferungen aus Niger gewährleisten über die Hälfte der Stromerzeugung und 56 französische Reaktoren produzieren 63 Prozent der gesamten Elektrizität im Land, wovon ein bedeutender Anteil bis vor Kurzem auch noch exportiert wurde und damit die Staatskasse füllte.

Niger ist kein bevölkerungsreiches Land. Seine nur 23 Millionen Einwohner leben auf engem Raum hauptsächlich im südlichen Landesteil und sind sehr arm. Nach Angaben der UNO ist es eines der ärmsten Länder des Planeten, das vom Export landwirtschaftlicher Produktion und des bereits erwähnten Urans und Goldes kritisch abhängig ist. Die Einführung eines Embargos auf den Export der wertvollen Metalle ist ein Versuch, der kolonialen Falle zu entkommen, der jedoch für die Bevölkerung mit erheblichen Notständen verbunden ist. Allerdings gibt es den starken Verdacht, dass sich in den nächsten Tagen herausstellen wird, dass in Niger ein katastrophaler Demokratiemangel herrscht und es dringend nötig sei, Spezialtruppen dorthin zu entsenden – am besten natürlich französische.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.

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