Die Vertreter rivalisierender Regierungen in Libyen kamen am Mittwoch in der ägyptischen Hauptstadt zusammen, um Gespräche über umstrittene Regelungen für die Präsidentschaftswahlen wieder aufzunehmen. Die von den Vereinten Nationen vermittelten Gespräche erfolgten, nachdem das libysche Abgeordnetenhaus im Osten des Landes den Chef der Übergangsregierung, Abdel Hamid Dbeiba, durch die Wahl eines anderen Politikers, nämlich Fathi Baschagha, als Ministerpräsidenten abgesetzt hatte.
Die Parlamentarier im Osten begründeten ihren Schritt damit, dass das Mandat des im Februar vergangenen Jahres durch die Vermittlung der Vereinten Nationen eingesetzten Premiers Dbaiba mit den im Dezember geplatzten Wahlen abgelaufen sei. Dbaiba selbst hat das bislang nicht bestätigt. Das Land scheint nun mit der Wahl eines zweiten Premierministers in den Bürgerkrieg zurückzufallen.
Bei den Verhandlungen in Kairo nahmen zwölf Abgeordnete des libyschen Parlaments mit Sitz in der östlichen Stadt Tobruk sowie zwölf des in der Hauptstadt Tripolis im Westen Libyens ansässigen Hohen Staatsrats teil. Die UN-Sonderberaterin für Libyen, Stephanie Williams, sagte, das Treffen in Kairo würden am kommenden Mittwoch enden, hoffentlich mit einer Einigung über eine "solide Verfassungsgrundlage und einen Fahrplan für Wahlen in Libyen".
Einer solchen Pattsituation in Libyen könnte eine neue Verfassung entgegenwirken. Voraussetzung für die Teilhabe am Vorgang der Verfassungsbildung ist allerdings ein Sieg bei den kommenden Wahlen. Deshalb versuchen die politischen Gegenspieler nun die Wahlgesetze so festzulegen, dass sie selbst jeweils die besten Gewinnchancen haben.
Derzeit macht man sich in Libyen Sorgen darum, dass die durch den Krieg in der Ukraine stark steigenden Weizenpreise unabsehbare Auswirkungen für die Bevölkerung Libyens haben werden. Nachdem Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt worden war, wurde Libyen in den letzten Jahren zum Schauplatz zahlreicher Stellvertreterkonflikte, unter anderem unter Beteiligung von Ägypten, Russland, der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate sowie weiteren westlichen Ländern.
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