Die Niederlage und der chaotische Abzug der NATO-Truppen nach zwanzig Jahren Krieg hinterließen zwischen Washington und Berlin tiefe Spuren. Neben Afghanistan ist die Bundeswehr nunmehr jedoch in zahlreichen weiteren Staaten ebenfalls aktiv, um nach offizieller Lesart für Demokratie und Freiheit einzustehen – darunter auch im westafrikanischen Binnenland Mali.
Nach dem Afghanistan-Debakel wurden dann jedoch schnell Rufe laut, auch Sinn und Zweck des Mali-Einsatzes der Bundeswehr auf den Prüfstand zu stellen. So erklärte etwa der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul Anfang September, dass man sich nun "Mali neu anschauen" müsse.
"Wir müssen die Ziele und den Mitteleinsatz überprüfen. Und beim Nation Building dürfen wir nicht zu hohe Erwartungen haben. Wir können nicht warten, dass in Mali ein Rechtsstaat entsteht. Damit würden wir in dieselbe Illusion reinlaufen wie in Afghanistan."
Nun kommt die ehemalige "Musterdemokratie" Mali seit dem Zerfall Libyens 2012 und dem daraufhin beginnenden Siegeszug von islamistischen Terrorgruppen, Milizen und kriminellen Banden nicht mehr zur Ruhe. Drei Putsche erlebte das Land seither. Neben Frankreichs eigenen militärischen Aktivitäten sind es die UN-Mission MINUSMA und die sogenannte EU-Ausbildungsmission EUTM, denen es bisher nicht ansatzweise gelang, zu einer Stabilisierung der Situation vor Ort beizutragen. An beiden Missionen ist die Bundeswehr beteiligt – mit zuletzt etwas mehr als 1.350 Soldaten.
Auch die Wehrbeauftragte des Bundestages, die SPD-Politikerin Eva Högl, hatte nach dem NATO-Desaster in Afghanistan erklärt, dass nun auch über den Mali-Einsatz "sehr zügig" nachgedacht werden müsse. Es seien nicht zuletzt die Soldaten, die sich fragten, "ob dort alles richtig läuft und ob ihr Einsatz auch nachhaltig ist", so Högl Anfang September.
Nun teilte Högl gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mit, dass die Einsätze der Bundeswehr in Mali "schonungslos" auf ein mögliches Ende hin überprüft werden müssten.
"Wir müssen das schonungslos analysieren. Und dann gehört auch diese Option auf den Tisch."
Mit den internationalen Partnern müsse aber abgestimmt werden, "was unsere realistischen Ziele sind". Deutschland sollte sich dabei aktiv einbringen und eine ehrliche Zwischenbilanz vorlegen. Zumindest nach Ansicht von Beobachtern und weiten Teilen der malischen Zivilbevölkerung fällt die Zwischenbilanz verheerend aus. Ihnen gilt der ressourcenreiche afrikanische Staat als von fremden Mächten besetzter Staat.
Anfang Oktober ging der malische Premierminister so weit zu behaupten, dass Frankreich "terroristische" Gruppen im Norden Malis ausbilde, die anschließend das Land weiter destabilisierten. Immer wieder kommt es im Land zu Protesten und Demonstrationen, die den Abzug Frankreichs und seiner Partner fordern.
Im Kampf gegen die nach wie vor in großer Zahl in Mali operierenden islamistischen Gruppierungen wandte sich die malische Regierung zuletzt auch an das russische Sicherheitsunternehmen Wagner, was in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA und weiteren Ländern wiederum zu Empörung und scharfer Kritik führte. Man bedauere "die Entscheidung der malischen Übergangsregierung, ohnehin knappe öffentliche Mittel zu nutzen, um ausländische Söldner zu bezahlen", hieß es zuletzt in einer am 23. Dezember verbreiteten gemeinsamen Erklärung.
Die EU-Staaten hatten dem Land für den Fall eines Auftrages für die russische Firma Wagner offen mit einem Ende des militärischen und zivilen Engagements gedroht. Die Regierung in Mali bestreitet eine Rekrutierung von sogenannten russischen Söldnern und spricht von russischen Ausbildern.
Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zeigte sich Ende Dezember ebenfalls tief enttäuscht von der malischen Regierung:
"Die Entscheidung der Verantwortlichen in Mali, Söldner ins Land zu holen, halten wir für falsch und bedauern sie ausdrücklich. Wir sind überzeugt, dass dieser Schritt nicht geeignet ist, die Sicherheitslage im Land zu verbessern."
Nun werde man sich mit seinen "internationalen Partnern über das weitere Vorgehen und unser Engagement in Mali abstimmen".
Ende vergangener Woche teilte die malische Übergangsregierung mit, die für Februar angesetzten Wahlen aufgrund der nach wie vor prekären Sicherheitslage um fünf Jahre verschieben zu wollen. Dies teilte der malische Außenminister Abdoulaye Diop der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS am Samstag mit.
Derweil forderte Högl nun auch, das Beschaffungswesen für die Bundeswehr zu "entschlacken". Es sei Aufgabe von Bundestag und Bundesregierung, darüber nachzudenken.
"Wir haben das Vergaberecht und müssen ausschreiben. Das ist gut und richtig. Aber dieses Vergaberecht ist definitiv zu kompliziert und daran ist nicht Brüssel schuld, sondern es ist in Deutschland zu kompliziert umgesetzt worden."
Man mache es sich zu einfach, wenn man die Schuld den Mitarbeitern des Beschaffungsamtes BAAINBw gebe. "Alle erkennen das Problem, alle meine Vorgänger hat das schon beschäftigt", sagte Högl. "Das ist seit Jahren Thema und trotzdem haben die Fallschirmspringer keine Sprunghelme. Trotzdem wird die Schutzweste für den gefährlichen Einsatz in Mali erst bei der isolierten Unterbringung im Hotel an die Türklinke gehängt. Ja und trotzdem sind die Funkgeräte 30 Jahre alt."
Sie warnte, dass Geduld und Frustrationstoleranz der Soldaten endlich seien. Bei Schutzwesten und Sprunghelmen sei die Beschaffung auch sicherheitsrelevant. Bei Funkgeräten gehe es auch um die Zusammenarbeit mit Verbündeten. Högl: "Wenn die Amerikaner irgendwann mit uns nicht mehr üben, weil sie sagen, ihr habt ja nicht mal Funkgeräte, mit denen wir verschlüsseln können, dann haben wir ein Problem auch in den Bündnisverpflichtungen und in der internationalen Zusammenarbeit."
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