Nach zehn Jahren Chaos in Libyen: UNO berichtet erneut über das erschreckende Ausmaß an Gewalt

Sonderbeauftragte der UNO berichten erneut über das erschreckende Ausmaß an Ausbeutung und Gewalt sowie Versklavung in Libyen seit Ausbruch des Bürgerkriegs, nachdem der frühere Staatschef al-Gaddafi 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt wurde. Das Land versank danach im Chaos und in jahrelangem Bürgerkrieg. Seither reißt auch eine Flüchtlingswelle über Libyen nach Europa nicht ab.

Experten der Vereinten Nationen untersuchten in einem neuen Bericht das erschreckende Ausmaß an Ausbeutung und Gewalt sowie Versklavung in Libyen seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahre 2011. Sie stellten fest, dass insbesondere Verbrechen gegen Zivilisten und "Migranten" begangen werden, die das von Chaos heimgesuchte nordafrikanische Land zu durchqueren versuchen, um nach Europa zu gelangen, berichtet AP. Oft werden sie aber dabei laut dem Bericht unter schrecklichen Bedingungen festgehalten.

Für den etwa 30-seitigen Bericht an den UN-Menschenrechtsrat in Genf werteten die Experten Hunderte von Dokumenten aus, führten 150 Interviews und suchten nach Hinweisen in Libyen, Tunesien und Italien. Die Liste der Vorwürfe im UN-Bericht ist lang: Folter, Entführungen, Inhaftierungen ohne Anklage, sexuelle Gewalt und außergerichtliche Tötungen. 

Die Experten berufen sich dabei auf Berichte, denen zufolge die libysche Küstenwache – die von der EU im Rahmen der Bemühungen zur Eindämmung des Migrantenstroms über das Mittelmeer ausgebildet und ausgerüstet wurde – Flüchtlinge misshandelt und einige an Haftanstalten überstellt habe, in denen auch Folter und sexuelle Gewalt stattfinden.

Es sei ganz klar, dass die Rückführungspolitik (das sogenannte Push-Back) auf See zu massiven Menschenrechtsverletzungen geführt habe, sagte Chaloka Beyani, Rechtsprofessor an der London School of Economics aus Sambia und einer der drei Mitglieder dieser Mission von Sonderberichterstattern.

Der Bericht zitiert zudem, dass seit 2016 rund 87.000 Migranten von der libyschen Küstenwache abgefangen wurden, wovon sich derzeit etwa 7.000 in Zentren der Abteilung zur Bekämpfung illegaler Migration aufhalten.

Die Razzien wurden in letzten Tagen in Libyen fortgesetzt. Libysche Sicherheitskräfte nahmen vor Kurzem bei einer Großrazzia westlich der Hauptstadt Tripolis nach eigenen Angaben rund 4.000 Flüchtlinge fest. Sie seien zunächst in ein Sammellager gebracht worden und sollen später auf andere Lager verteilt werden, teilte das libysche Innenministerium mit. Es handele sich um "illegale Flüchtlinge" verschiedener Nationalitäten.

Der frühere Staatschef Muammar al-Gaddafi war 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt worden. Das Land versank danach im Chaos und in jahrelangem Bürgerkrieg. Sklaven-, Drogen-, Waffen- und Menschenhandel einschließlich der Migrantenströme aus Afrika nach Südeuropa florieren seither in Libyen. Das Land ist dabei jedoch ein gefährliches Transitland für Flüchtlinge geworden, die sich auf dem Weg in Richtung der EU-Länder machen. 

Alle Konfliktparteien, darunter auch ausländische Staaten sowie ausländische Kämpfer und Söldner, hätten gegen humanitäres Völkerrecht verstoßen, teilten die Autoren in dem UN-Bericht mit. Sie hätten libysche und ausländische "Einzelpersonen und Gruppen" identifiziert, die für die Verstöße, für Missbrauch und Gewalt seit 2016 verantwortlich sein könnten.

"Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass alle Konfliktparteien, einschließlich ausländischer Kämpfer und Söldner von Drittstaaten, gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen haben, insbesondere gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Unterscheidung", sagte Mohamed Auajjar, ehemals marokkanischer Justizminister, der das Team leitete. "Einige haben auch Kriegsverbrechen begangen."

Der Grundsatz der Unterscheidung verlangt von den bewaffneten Konfliktparteien, zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schreibt vor, Kriegsparteien müssten sicherstellen, dass kollaterale Schäden nicht übermäßig groß sind.

Seit der NATO-Intervention ist Libyen zum Schauplatz zahlreicher Stellvertreterkonflikte geworden, unter anderem unter Beteiligung von Ägypten, Russland, der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow forderte am Montag erneut den Abzug aller nicht-libyschen bewaffneten Gruppen und Militäreinheiten aus dem Land. Diese Schritte müssten schrittweise unternommen und rechtzeitig synchronisiert werden, um das Risiko einer Verletzung des bestehenden Kräftegleichgewichtes zu vermeiden, sagte Lawrow auf einer Pressekonferenz mit seinem ägyptischen Amtskollegen Samih Schukri in Moskau. 

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