Nach monatelangen bilateralen Spannungen hat Algerien die diplomatischen Beziehungen zu Marokko offiziell abgebrochen. Auf einer Pressekonferenz in Algier am Dienstagabend verkündete Außenminister Ramtane Lamamra die Entscheidung und warf Rabat "feindliche Handlungen" vor.
"Algerien hat beschlossen, die diplomatischen Beziehungen zum Königreich Marokko ab heute abzubrechen", so Lamamra.
Der Bruch folgte auf eine Überprüfung der bilateralen Beziehungen, die Algerien letzte Woche angekündigt hatte. Lamamra beschuldigte die marokkanische Führung, "für wiederholte Krisen" verantwortlich zu sein und ein Verhalten an den Tag zu legen, das "zu Konflikten statt zur Integration" in Nordafrika geführt habe. Sie trage "die Verantwortung für die aufeinanderfolgenden Krisen, die uns in einen Tunnel ohne Ausgang gezogen haben".
"Es ist erwiesen, dass das Königreich Marokko seit der Unabhängigkeit nicht einen Tag lang seine unfreundlichen, niederträchtigen und feindseligen Manöver gegen Algerien eingestellt hat."
Das marokkanische Außenministerium erklärte in einer in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten Erklärung, die Entscheidung Algiers sei "angesichts der in den letzten Wochen beobachteten Logik der Eskalation erwartet worden", jedoch bedauere es die "ungerechtfertigte Entscheidung" und werde ein "glaubwürdiger und loyaler Partner" für das algerische Volk bleiben.
Während die Grenze zwischen den beiden nordafrikanischen Mächten seit 1994 geschlossen ist, wurden die diplomatischen Beziehungen seit ihrer Wiederherstellung im Jahr 1988 nach einem früheren Streit aufrechterhalten. Marokko hat seit Jahren erklärt, es wolle die Grenze wieder öffnen. Algerien hingegen bestand darauf, dass sie aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben muss.
Die beiden Länder sind seit Langem in einer Reihe von Fragen uneins, vor allem über den Status der Westsahara. Während Rabat volle Souveränität über das Gebiet beansprucht, unterstützt Algerien die Forderungen der Polisario-Front nach einem Selbstbestimmungsreferendum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen.
Die Beziehungen haben sich vor allem im vergangenen Jahr verschlechtert, als die Westsahara-Frage nach Jahren der relativen Ruhe wieder aufflammte, nachdem Rabat die Beziehungen zu Israel als Teil des Vorstoßes des damaligen US-Präsidenten Donald Trump wiederaufnahm, was Washington mit der Anerkennung der marokkanischen Souveränität über die Westsahara honorierte. Algerien unterstützt seit Langem die Belange der Palästinenser, Kritik an dem Schritt Rabats kam sowohl von Beamten als auch aus der algerischen Bevölkerung.
Lamamra ging auch auf den Besuch des israelischen Außenministers Jair Lapid im August in Marokko ein, wo dieser gesagt hatte, er und der marokkanische Außenminister Nasser Bourita teilten "die Besorgnis über die Rolle Algeriens in der Region" wegen einer mutmaßlichen "Annäherung Algeriens an Iran".
"Marokko ist zu einer sekundären Basis für die Planung einer Reihe von gefährlichen Aggressionen gegen Algerien geworden", erklärte Lamamra und beschuldigte den marokkanischen Außenminister, Lapids Bemerkungen angestiftet zu haben.
"Algerien weigert sich, verwerfliche Verhaltensweisen und Handlungen zu dulden ... Algerien lehnt es ab, einseitig vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden, was katastrophale Folgen für die Völker des Maghreb hätte", sagte Lamamra.
Im Juli rief Algier seinen Botschafter nach Marokko zurück, nachdem der marokkanische Gesandte bei den Vereinten Nationen auf einem Treffen der Bewegung der Blockfreien Staaten "das Selbstbestimmungsrecht für die in der Kabylei lebenden Menschen" gefordert hatte, eine Tamazight-sprachige Minderheit in der überwiegend von Berbern bewohnten gleichnamigen Region Kabylei, die sich entlang der Mittelmeerküste östlich der Hauptstadt Algiers erstreckt.
Der Hohe Sicherheitsrat Algeriens unter dem Vorsitz von Präsident Abdelmadjid Tebboune kündigte in der vergangenen Woche an, die Beziehungen zu Marokko nach den Äußerungen der Marokkaner zur Kabylei zu "überprüfen".
Der algerische Außenminister prangerte zudem die "massiven und systematischen Spionageakte" Marokkos mit der Pegasus-Software der israelischen Firma NSO an, unter anderem um algerische Beamte auszuspionieren, berichtete die offizielle Nachrichtenagentur APS. Durch die Enthüllungen eines internationalen Journalistenkonsortiums über die von der israelischen NSO Group verkaufte Spionagesoftware Pegasus im Juli wurde bekannt, dass Rabat "einer der größten Nutzer der Spionagesoftware zum Nachteil der algerischen Behörden" war.
Letzte Woche hatte Algier Rabat zudem beschuldigt, in die fatalen Waldbrände verwickelt zu sein, die in den letzten Wochen den Norden Algeriens verwüstet und das Leben von mindestens 90 Menschen gekostet haben. Laut Algier seien sie das Werk von zwei Gruppen, die es als Terroristen bezeichnet, darunter die MAK-Gruppe, die die Unabhängigkeit der Region Kabylei anstrebt und demnach von Marokko unterstützt wird.
Der Generalsekretär der Arabischen Liga (AL), Ahmed Aboul-Gheit, rief Algerien und Marokko dazu auf, Zurückhaltung zu üben und eine weitere Eskalation zu vermeiden, beide seien wichtige Länder im System der gemeinsamen arabischen Aktionen und für die Stabilität der Region gewahrt, hieß es in einer Erklärung der AL.
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