Hungersnot in Madagaskar: Bald 500.000 Menschen bedroht

Schlechte Ernten und eine Dürre, die Madagaskar seit Jahrzehnten nicht kannte, bedrohen die Versorgung mit Lebensmitteln. Das Welternährungsprogramm warnt vor einem Notstand. Bereits jetzt leiden in manchen Gebieten ein Viertel der Kleinkinder an Unterernährung.

In Madagaskar bahnt sich eine Hungersnot an, die in wenigen Monaten eine halbe Million Menschen bedrohen kann. Wie das Welternährungsprogramm der UNO (WFP – World Food Programme) mitteilt, weitet sich der Notstand seit Beginn des Jahres 2021 aus. Gegenwärtig können 1,14 Millionen Menschen nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt werden. 14.000 Menschen befinden sich in einer katastrophalen Situation. Bis zum Herbst wird sich deren Anzahl verdoppeln, prognostiziert David Beasley, Direktor des WFP.

"Ich haben Frauen und Kinder getroffen, die um das nackte Überleben kämpften; sie waren stundenlang gelaufen, um zu unseren Verteilstellen zu gelangen. Sie waren diejenigen, die gesund genug waren, um es zu schaffen", schildert Beasley.

Der Süden des Landes leidet an der schlimmsten Dürre seit vier Jahrzehnten. Sie ist die hauptsächliche Ursache der Hungersnot. Kriegerische Auseinandersetzungen oder kriminelle Korruption müssen nicht in Betracht gezogen werden, schätzt Beasley ein.

Die akute Mangelernährung bei Kindern unter fünf Jahren hat sich in Madagaskar in den letzten vier Monaten fast verdoppelt und erreicht alarmierende 16,5 Prozent. Besonders betroffen ist der Bezirk Ambovombe, wo der Hunger das Leben von 27 Prozent der kleinen Kinder bedroht.

Die COVID-19-Pandemie hat die Not verschärft, da saisonale Arbeitsplätze wegfallen. "Um zu überleben, essen die Familien Tamarindenfrüchte, die sie mit Lehm vermischen", sagt Moumini Ouedraogo, WFP-Landesdirektor in Madagaskar. "Ein weiteres Jahr wie dieses können wir nicht überstehen. Wenn es nicht regnet und die Ernte schlecht ausfällt, werden die Menschen verhungern."

Derzeit greifen bis zu 80 Prozent der Bevölkerung in bestimmten Gebieten nach Heuschrecken, rohen roten Kaktusfrüchten oder Blättern von wilden Pflanzen. Die Ernte von 2021 wird schlecht ausfallen. Es wird erwartet, dass die Nahrungsmittelproduktion in diesem Jahr weniger als 40 Prozent des letzten Fünf-Jahres-Durchschnitts beträgt. Schon dieses liegt deutlich unter dem Ergebnis der Ernten in normalen Jahren. 

Die halbtrockenen Bedingungen im Süden Madagaskars in Verbindung mit starker Bodenerosion, Abholzung und Sandstürmen haben Acker- und Weideflächen mit Sand bedeckt und die landwirtschaftlichen Felder in der Region in Brachland verwandelt.

Mehr zum Thema - Dem Süden Afrikas droht eine Katastrophe