Prinz Asserate von Äthiopien – "Wo sind denn eure demokratischen Werte?"

Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist Unternehmensberater für Afrika und den Mittleren Osten, politischer Analyst und Bestsellerautor. Seit Jahrzehnten lebt er schon in Deutschland. Im Gespräch mit RT DE geht er unter anderem auf das Thema deutsche Identität und die Flüchtlingspolitik ein. Zudem wirft er einen kritischen Blick auf die deutsche Afrikapolitik.

Ein Podcast-Beitrag von Kani Tuyala

Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist ein Großneffe des letzten äthiopischen Kaiser Haile Selassie - des "Löwen von Juda". Nach dem Besuch der Deutschen Schule in Addis Abeba, wo er 1968 als einer der ersten Äthiopier das Abitur bestand, studierte er Jura, Volkswirtschaft und Geschichte an den Universitäten Tübingen, Cambridge und Frankfurt, wo er im Jahr 1978 zum Dr. phil. promovierte.

Im Gespräch mit RT DE-Redakteur Kani Tuyala geht der Historiker auf einige wenig bekannte Aspekte der äthiopischen Zeitgeschichte ein. So erzählt Prinz Asserate, dass Äthiopien Deutschland "Entwicklungshilfe gegeben hat" – und zwar im Winter 1947, "wo die Deutschen gefroren und gehungert haben".

"Das hat Konrad Adenauer nie vergessen", so der selbstständige Unternehmensberater.

Zudem kommen die erstklassigen Beziehungen des "Antifaschisten auf dem Thron" zur Sowjetunion ebenso zur Sprache wie die vergeblichen militärischen Bemühungen Italiens unter Mussolini, Äthiopien zu unterwerfen und zur Kolonie zu machen. Dabei setzte Italien auch Giftgas ein – der erste Einsatz der Massenvernichtungswaffe seit dem Ersten Weltkrieg.

Die Revolution der 1970er-Jahre in Äthiopien verhinderte die Rückkehr in sein Vaterland. Sein Vater, der Präsident des kaiserlichen Thronrats und ein ehemaliger Vizekönig von Eritrea, wurde 1974 erschossen, seine Mutter und seine sechs Geschwister kamen in Sippenhaft.

Seit nunmehr gut 50 Jahren lebt der 1981 zum deutschen Staatsbürger gewordene Prinz aus dem äthiopischen Kaiserhaus in Deutschland. Da er schon seit Kindesbeinen an die deutsche Kultur verinnerlichte und "große Privilegien" genoss, musste "ich nicht mehr integriert werden".

"Ich gehöre zu den wenigen Leuten, die integriert schon ankamen", erläutert das Mitglied des äthiopischen Kaiserhauses.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs geht der nunmehr 72-Jährige darauf ein, was es für ihn bedeutet, Deutscher zu sein, und wie er die Diskussion um Integration und Flüchtlinge einordnet.

"Die Akzeptanz der Gesetze des Gastlandes ist etwas, das man von Gästen erwarten darf", erklärt Asfa-Wossen Asserate.

Die Integration sei jedoch keine Einbahnstraße, sondern erfordere Willen und Bereitschaft von allen beteiligten Seiten.

Rassismus hat der Kenner der deutschen Geschichte nach eigener Aussage nie erlebt.

"Was nicht bedeutet, dass (...) wir hier große Momente haben, wo es auch tatsächlich Diskriminierung gibt.

Doch nicht nur in Europa gäbe es Rassismus, sondern etwa auch in Äthiopien. 

Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed führte zuletzt eine Militärkampagne gegen die in Tigray regierende sogenannte Volksbefreiungsfront TPLF.

"Jedes afrikanische Land hat das Recht, die territoriale Integrität und die nationale Souveränität mit allen Mitteln aufrechtzuerhalten", so Asfa-Wossen Asserate.

Es sei das Recht des äthiopischen Ministerpräsidenten gewesen, "die abtrünnige Provinz Tigray zurechtzuweisen" und eine militärische Operation durchzuführen. Vorherige Verhandlungsbemühungen hätten nicht zum Erfolg geführt. Nach dem militärischen Eingreifen der Regierung gelte es nun, vor Ort den Frieden zu gewinnen.

Die "Afrikapolitik" der Bundesregierung – aber auch etwa Frankreichs – sieht der Bundesverdienstkreuzträger kritisch. Es sei nicht akzeptabel, dass einerseits von "Werten" gesprochen werde, andererseits aber je nach eigener Interessenlage Diktatoren unterstützt würden. Zudem beklagt er die Politik des "Teile und Herrsche" durch die ehemaligen europäischen Kolonialstaaten.

"Wo sind denn eure demokratischen Werte", würden sich die Menschen vor Ort längst fragen.

Die "europäischen Werte" hätten "scheinbar in der Afrikapolitik überhaupt nichts zu suchen", so das Mitglied des Innovationsbeirates des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Auch dadurch würde sich Europa vor Ort unglaubwürdig machen. Das Flüchtlingsproblem betrachtet Asfa-Wossen Asserate aufgrund einer kontraproduktiven Politik und einer "anderen Form der neokolonialistischen Einflussnahme" als zum Teil hausgemacht.

Bei aller Kritik bewertet Asfa-Wossen Asserate den deutschen Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) "als einen der besten Entwicklungsminister, den wir je hatten".

Dies sind nur einige wenige Schlaglichter des ausführlichen Gesprächs, das RT DE-Redakteur Kani Tuyala mit Dr. Prinz Asfa-Wossen Asserate führte. Asserate ist Träger zahlreicher Auszeichnungen. Zu seinen bekanntesten Werken zählt das Buch "Manieren" aus dem Jahr 2003.