Den weltweit hofierten "Philanthropen" und Microsoft-Gründer Bill Gates und seine weltweiten Aktivitäten zu kritisieren, lag bis vor nicht allzu langer Zeit durchaus noch im Bereich des journalistisch Möglichen. Spätestens seit "Corona" gleicht es einem Schritt in den Kreis der sogenannten Verschwörungstheoretiker.
Dabei ist es eher Pflicht als Kür, einem einzelnen und mit so viel Einfluss und Macht ausgestatteten Multimilliardär genau auf die Finger zu schauen, wenn er sich anschickt, die Geschicke der Menschheit in die eigene Hand zu nehmen.
So auch im Fall von AGRA, der "Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika" (Alliance for a Green Revolution in Africa).
Und ja, es liest sich so selbstlos, so grün und wie immer zukunftsweisend, was man sich auf die Fahnen geschrieben hat:
AGRA ist eine bauernzentrierte, afrikanisch und partnerschaftlich geführte Institution, die Afrikas kleinbäuerliche Landwirtschaft von einem einsamen Überlebenskampf in florierende Unternehmen verwandelt", prangt auf der AGRA-Webseite unter dem Stichwort "Wer wir sind".
Und es gibt viel zu tun: Rund 690 Millionen Menschen hungern aktuell weltweit. Ganze zwei Milliarden leiden unter Mangelernährung. Die Anzahl der weltweit chronisch Hungernden stieg in den vergangenen Jahren kontinuierlich an. Das alles wohlgemerkt also schon vor der weltweiten "Corona-Krise". Die Wirtschaftskrisen, die seither weltweit die Volkswirtschaften heimsuchen, spitzten die Lage noch weiter zu, sind die Menschen der südlichen Hemisphäre doch ungleich härter von den "Corona-Maßnahmen" betroffen.
Im Jahr 2006, also vor bereits 14 Jahren, war es die Bill & Melinda Gates Foundation Hand in Hand mit der Rockefeller-Stiftung aus den USA, die sich mit der AGRA des Problems des Hungers in Afrika anzunehmen gedachte.
Seit 2006 arbeiten wir mit unseren Partnern in ganz Afrika zusammen, um Kleinbauern und Tausenden von einheimischen afrikanischen Landwirtschaftsbetrieben eine Reihe bewährter Lösungen anzubieten. Das Bündnis hat die Systeme und Instrumente für die afrikanische Landwirtschaft aufgebaut: hochwertiges Saatgut, bessere Bodengesundheit, Zugang zu Märkten und Krediten, gekoppelt mit stärkeren Bauernorganisationen und einer verbesserten Landwirtschaftspolitik", preist die AGRA sich selbst an.
Mit einer auf Ertragsmaximierung ausgerichteten Landwirtschaft mittels hybriden Saatguts, jeder Menge Pestiziden samt synthetischen Düngeerzeugnissen, kurz gesagt, einer sogenannten input-intensiven und industriellen Landwirtschaft, sollte das vielfältige Problem des armutsbasierten Hungers angepackt werden – alles rein zugunsten der armen afrikanischen Bauern, versteht sich.
Doch wie bereits seit Jahren bekannt, ist der Hauptgrund für Armut und Hunger nicht eine allgemein zu geringe Produktivität, sondern Verteilungsmissstände und eine zu wenig nachhaltige, auf lokale Bedürfnisse zugeschnittene und diversifizierte Produktion.
Der Fokus auf "Produktivitätssteigerung" wie sie auch die vermeintliche "Grüne Revolution" forciert, führt hingegen zu einer Überbetonung von Erträgen, zu einer unzureichenden Berücksichtigung agroökologischer Zusammenhänge und lokaler Ernährungsbedürfnisse sowie zur Fokussierung auf eine Landwirtschaft auf chemischer Basis.
Überraschenderweise scheinen sich die Befürworter dieses Ansatzes weitgehend nicht bewusst zu sein, dass ähnliche Projekte in vielen asiatischen Entwicklungsländern früher mittelfristige Ergebnisse erzielten, die bestenfalls gemischt waren und oft mit großen ökologischen Problemen verbunden waren", gibt dabei die Japan Times zu bedenken.
In der Tat kann man bei der Gates-Revolution vom Nachfolger der sogenannten Grünen Revolution sprechen, die in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts in Asien und Lateinamerika den Hunger besiegen sollte. Der Begriff wurde von niemand Geringerem geprägt als vom damaligen Geschäftsführer von USAID William Gaud. Bereits damals setzte man auf Hochertragssorten für die Landwirtschaft, inklusive des massiven Einsatzes von Pestiziden. Dies führte u.a. zu massiven Umweltschäden und der Verdrängung von Kleinbauern.
Gestern wie heute ist der Begriff "grün" also nicht mit einer ökologischen Ausrichtung der "Revolution" zu verwechseln, sondern bezieht sich in erster Linie auf den Sektor, in dem man aktiv ist: die Landwirtschaft.
Und bei der AGRA beginnt man sich nun still und leise von den sehr ambitionierten Zielsetzungen abzusetzen. Ursprünglich sollte sich das Haushaltseinkommen von 20 Millionen afrikanischen Kleinbauern dank der Unterstützung von Gates-Stiftung, Rockefeller-Stiftung und Co. bis 2020 verdoppeln. Das Ganze dank einer Verdoppelung der landwirtschaftlichen Erträge. Über eine Milliarde US-Dollar spülte die Stiftung von Bill und Melinda Gates in das Vorhaben.
Auch die Bundesregierung ist in Form des Ministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ebenso an Bord wie die Vereinigten Staaten und Großbritannien. Öffentlich Rechenschaft über den Einsatz der Gelder legte die AGRA jedoch bis heute nicht ab, und es gibt auch keinerlei transparente Auswertung der eigenen Ergebnisse.
Inzwischen kommt man wesentlich bescheidener daher, möchte die Einkommen der Kleinbauern (um einen unbestimmten Betrag) erhöhen und die Ernährungssicherheit für 30 Millionen bäuerliche kleinbäuerliche Haushalte in elf afrikanischen Ländern bis 2021 "verbessern". Zudem ergänzten die grünen Granden, nur noch neun Millionen Bauern direkt und die verbleibenden 21 Millionen indirekt erreichen zu wollen, wobei nebulös bleibt, was genau das impliziert.
Doch jetzt hat man einen neuen Partner gewonnen, um den eigenen Zielen den erwünschten technologischen Unterbau zur Verfügung zu stellen: Microsoft.
Über seine Initiative 4Afrika kündigte der Technologiekonzern an, nun eine Partnerschaft mit der AGRA einzugehen, um gemeinsam "technologische Lösungen für die Landwirtschaft zu entwickeln".
Während einer virtuellen Unterzeichnungszeremonie wurde eine neue Absichtserklärung zwischen Microsoft und der AGRA angekündigt. Die Zusammenarbeit unterstützt weiterhin die digitale Transformation von AGRA, die sich dafür einsetzt, die Ernährungssicherheit von 30 Millionen landwirtschaftlichen Haushalten in 11 Ländern bis 2021 zu verbessern", heißt es seitens des von Bill Gates gegründeten Unternehmens.
Wie es im Bericht "Falsche Versprechen: Die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA)" heißt, kam die Tuffs-Universität zu einem vernichtenden Urteil über die grünen Heilsbringer. Die Wissenschaftler konnten nach eigener Aussage keinerlei "Hinweise auf signifikante Steigerungen der landwirtschaftlichen Produktivität, der Einkommen oder eine Verbesserung der Ernährungssicherheit für die Menschen in den 13 Schwerpunktländern der AGRA" feststellen. Vielmehr habe die AGRA "versagt".
In den AGRA-Schwerpunktländern ist die Anzahl der Menschen, die unter extremem Hunger leiden, seit Beginn der AGRA sogar um 30 Prozent auf 130 Millionen Menschen gestiegen", heißt es unter anderem mit Verweis auf die Untersuchung.
Auch gebe es keinerlei Hinweis darauf, dass die Produktivität "in nennenswerten Umfang zugenommen" habe.
Vom AGRA-System profitieren derweil tatsächlich andere. So seien die AGRA-Aktivitäten eher auf eine Verbesserung der kommerziellen Bedingungen für Agrarunternehmen und Agrarchemiehändler ausgerichtet als auf die Interessen der afrikanischen Kleinbauern.
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