Am 31. März verkündete die Europäische Union, ihre Bemühungen zur Durchsetzung des UN-Waffenembargos gegen Libyen zu verstärken. Zwar könnten nur politische Lösungen und die Einhaltung des UN-Waffenembargos die anhaltende Krise im Land lösen, die Diplomatie müsse aber mit Taten untermauert werden, so Josep Borrell, Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik.
Dafür soll nun die Militäroperation "Irini" sorgen, (griechisch für "Frieden"), die die Umsetzung des UN-Waffenembargos zu Luft, See und per Satelliten kontrollieren soll. "Irini" löst die Operation "Sophia" ab, die am 31. März auslief und auch aufgrund anhaltender Auseinandersetzungen um eine Verteilung von Bootsflüchtlingen in Europa beendet worden war. Um Migranten keinen Anreiz zu bieten, sich auf den Weg nach Europa zu machen, soll "Irini" abseits der Fluchtrouten operieren.
Laut einer am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedeten Vorlage will sich Deutschland mit bis zu 300 Soldaten beteiligen. Neben Stabspersonal für den Einsatz plant Berlin außerdem, ein Aufklärungsflugzeug vom Typ P-3C Orion einzubringen.
Der Mandatsentwurf umfasst Aufgaben mit Fokus auf illegale Ein- und Ausfuhr von Rüstungsgütern. Neben dem Sammeln von Informationen gehören demnach auch das Anhalten, die Kontrolle, die Durchsuchung sowie die Umleitung von Schiffen bei Verdacht eines Verstoßes gegen das UN-Waffenembargo sowie die Beschlagnahme und Entsorgung illegaler Rüstungsgüter dazu. Zudem soll die Bundeswehr illegale Ausfuhren von Erdöl aus Libyen überwachen. Ihre Erkenntnisse soll die Truppe an die "rechtmäßigen libyschen Behörden" und an die Strafverfolgungsbehörden in der EU übermitteln.
Auch sollen Daten Verdächtiger erhoben und gespeichert werden, diese würden an die UN-Mission in Libyen, Interpol, den Internationalen Strafgerichtshof und zudem an die USA übermittelt werden, obwohl Washington maßgeblich für den Zerfall des Staates Libyen und das derzeitige humanitäre Desaster mitverantwortlich ist. Über die mit dieser Ausrichtung der Militäroperation verbundenen Risiken sprach RT Deutsch mit Dr. Alexander Neu, Obmann im Verteidigungsausschuss für die Fraktion Die Linke.
Erklärtes Ziel der EU-Mission "Irini" ist eine Stabilisierung des nordafrikanischen Landes sowie die Unterstützung des UN-geführten politischen Friedensprozesses. Welche Rolle spielen die USA in diesem Konflikt und trägt es zur Stabilisierung Libyens bei, wenn Washington, offenbar als einziger Nationalstaat außerhalb der EU, Daten über Verdächtige erhält?
Es ist höchst problematisch, wenn Daten dieser Art an einen Staat weitergeleitet werden, der allein schon geografisch in der Region nichts zu suchen hat. Damit werden den USA Vorrechte eingeräumt, die auch daran zweifeln lassen, warum die EU diese Mission in dieser Form ausführt. Mehrere EU-Staaten waren maßgeblich am Regime-Change in Libyen beteiligt und haben so das Chaos erst herbeigeführt und die Ursachen seither teils noch verschlimmert. Hier geht es offen um die Kontrolle der strategisch bedeutenden Region und das Hoheitsrecht im Mittelmeerraum.
Welche Risiken entstehen dadurch für die erklärten Ziele der Mission namens "Frieden"?
Hier ist die Frage, worum es bei der Mission wirklich geht, und bei "Irini" geht es eindeutig auch um Flüchtlinge. Mit der Vorgängermission "Sophia" mussten nach internationalem Recht Flüchtlinge auf See aufgenommen werden. Das "Irini"-Mandat beinhaltet die Möglichkeit eines jeden EU-Staates zu fordern, die Mission für bis zu acht Tagen zu unterbrechen, womit eine Aufnahme umgangen werden kann. Somit hat die Bundesregierung sich klar dem Willen der AfD gebeugt.
Pläne zur Einrichtung eines US-Stützpunktes in Libyen wurden bereits vom Innenminister der Sarradsch-Regierung aufgegriffen. Laut US-Analysten wäre Libyen für das Pentagon ein ideales Experimentierfeld, um sich auf künftige Konflikte mit China und Russland vorzubereiten.
Unabhängig von einem möglichen weiteren Militärstandort – die USA unterhalten ja rund tausend Militärstandorte weltweit, um von dort Macht zu projizieren – erhöht das natürlich die wachsende Gefahr eines größeren Konflikts zwischen dem Westen einerseits, also den USA und der EU, und China und Russland, der vor allem durch Washington vorangetrieben wird. Die USA sind der Auffassung, dass es eine Großmachtrivalität gibt. Terrorismus spielt keine große Rolle mehr, vielmehr hat man China, aber auch Russland als Großmachtrivalen im Auge. Und die EU lässt sich da mit einbinden, in die Kriegspolitik der USA, was verheerend wäre. Solche Militärstandorte weltweit sind immer auch ein Instrument, um zeit- und ortsnah eingreifen zu können, sobald die Interessenlage es erfordert.
Wie sehen Sie die Chancen, dass der Bundestag für den Einsatz der Bundeswehr in der Mission stimmt?
Die Große Koalition hat sich bereits entschieden und wird somit dafür stimmen. Andere Oppositionsfraktionen werden dagegen, aber auch dafür stimmen. Die Linke wird in jedem Fall dagegen stimmen, und zwar nicht aus rein ideologischer Motivation, sondern weil wir den Sinn und Zweck nicht unterstützen können. Somit halten wir dagegen, aber ich mache mir keine Illusion, dass die Bundesregierung sich aufhalten lässt.
Vielen Dank für das Interview.
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