Gerecht? EGMR verurteilt Russland zu 1,9 Mrd. Euro wegen Verstaatlichung des kriminellen Yukos-Konzerns
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verlangt von Moskau eine Zahlung von 1,9 Milliarden Euro an frühere Aktionäre der vom verurteilten Steuerhinterzieher Michail Chodorkowski aufgekauften Yukos-Holding, die von der Russischen Föderation infolge krimineller Umtriebe verstaatlicht wurden war. Der EGMR steht im Ruf anfällig für politischen Druck seitens einflussreicher EU-Kreise zu sein.
Mit der Entscheidung fand nun ein zehnjähriger Rechtsstreit sein Ende: Insgesamt dürfen 55.000 Ex-Aktionäre, darunter der wegen Steuerhinterziehung in Höhe von einer Milliarde US-Dollar verurteilte Oligarch Michail Chodorkowski und Ex-Eigentümer von Yukos, auf Zahlungen aus Moskau hoffen.
Die ehemaligen Anteilseigner von Yukos hatten geklagt, dass infolge der Strafverfolgung wegen Korruption gegen den Konzerninhaber Michail Chodorkowski, angeblich zu hohen Steuernachforderungen an Yukos gerichtet wurden, die den Konzern in Folge übermäßig belastetet und in den Ruin getrieben hatten.
Dieser Argumentation folgte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und erklärte die Art und Weise der Zerschlagung und Verstaatlichung des mittels nachweislich mit illegalen Methoden von Chodorkowski erworbenen Yukos-Konzerns für nicht rechtens.
Der EGMR ist zwar kein Organ der Europäischen Union ist, steht aber im Ruf anfällig für politischem Druck seitens einflussreicher EU-Kreise zu sein.
Nachdem der Gerichtshof einen Berufungsantrag ohne weitere Erörterung für nicht zulässig erklärte, bestätigte daraufhin der russische Justizminister Alexander Konowalow die Zahlung einer Entschädigungssumme von 1,9 Milliarden Euro an alle Ex-Aktionäre des 2007 verstaatlichten Chodorkowski-Erdölkonzerns Yukos.
Gegenüber der Nachrichtenagentur RIA erläuterte Konowalow die russische Position wie folgt:
"Die Richter fällten ihre Entscheidung und wir werden sie hinnehmen, auch wenn wir glauben, dass die Entscheidung unvernünftig war."
Zudem betonte er, Russland sei nicht verpflichtet, den Entscheidungen des Gerichtshofes Folge zu leisten, um jedoch sein "Wohlwollen" als Mitgliedsland des Europarates zu bekunden, werde sich Moskau an das Urteil halten und die Forderung aus Straßburg erfüllen.
Die Kläger hatten, um möglichst viel aus den Staatskassen Moskaus herauszupressen, eine Entschädigungssummen in Höhe von rund 80 Milliarden Euro gefordert, was vor dem Hintergrund des aktuellen Handelskrieges, den der Westen dem Land aufzwingt, auch für Russland keine Kleinigkeit darstellt.
Auch aus rechtlicher Perspektive erscheint die Entscheidung aus Straßburg unverständlich, vor allem wenn man bedenkt, dass Chodorkowski einer der Hauptprofiteure des Wildwest-Kapitalismus der 1990er Jahre in Russland war und sich durch illegale und teilweise Gangster-ähnlichen Methoden ein Milliardenbudget zusammenraffen konnte, dieses später legalisierte und sich schließlich als Oligarch aktiv in die Politik der jungen russischen Demokratie einmischte.
Mitglieder seiner Leibwache sollen sogar an der Ermordung unliebsamer Provinzpolitiker beteiligt gewesen sein. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb ist Chodorkowski heute der willfährige Lieblingsoligarch- und Demokrat westlicher Diplomaten, von Deutschland bis in die USA.
Auf dunklen Pfaden
Nach zahlreichen Geschäften im Import-Export- und Finanz-Sektor landete Chodorkowski 1995 seinen größten Coup. Trotz Verschuldung in Höhe von 1,6 Milliarden US-Dollar schaffte er es, an der Verkaufsauktion von Yukos teilzunehmen und diese auch noch für sich zu entscheiden. Besonders pikant: Er zahlte namens seiner Menatep-Handelsgesellschaft für Russlands größte Erdölreserven 159 Millionen US-Dollar, um ganze 45 Prozent der Anteile am Unternehmen für sich veranschlagen zu können. Das konnte nur gelingen, weil Konkurrenten wegen angeblicher technischer Fehler an der Auktion plötzlich nicht mehr teilnehmen konnten. Später kaufte er noch weitere 33 Prozent auf.
Yukos saß zu diesem Zeitpunkt zwar auf einem 1,6 Milliarden US-Dollar Schuldenberg, doch unter diesem lagen die mit Abstand größten Energiereserven der Russischen Föderation.
Besonders frivol an den Übernahmeaktionen: Die Bank, die die Auktion durchführte und den Zuschlag an Chodorkowski erteilte, war die im Besitz von Chodorkowski befindliche Menatep-Bank.
Das Besondere an diesem Deal war, dass Chodorkowski schon vor der Auktion sehr gute Kontakte zum amtierenden Yukos-Präsidenten Murawlenko aufgebaut hatte, der ihm für den Kauf von Yukos-Aktien sogar Kredite von Yukos selbst einräumte. Mit anderen Worten: Chodorkowski kaufte den Yukos-Konzern mit Yukos-Geldern und mit Geldern des Finanzministeriums, deren Depositen die Menatep-Bank verwaltete. Nicht nur Abgeordnete, sondern ganze Ministerien waren faktisch in den 1990er Jahren die verlängerte Werkbank mafiöser Strukturen.
Diese gingen dabei oft über Leichen. Der Ex-Sicherheitschef von Yukos, Alexej Pitschugin, wurde etwa wegen seiner Beteiligung an der Ermordung des Bürgermeisters der westsibirischen Stadt Neftejugansk, Wladimir Petuchow, zu 24 Jahren verschärfter Lagerhaft verurteilt. Das Verbrechen soll von der Yukos-Spitze in Auftrag gegeben worden sein. 1998 fanden die Ermittler jedoch keine ausreichenden Beweise dafür, dass Chodorkowski in den Mord an dem Bürgermeister verwickelt war.