In der West- und Zentralukraine tobt der rechte Mob
In Vinnytsia, der Heimatstadt des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, haben rund 600 Demonstranten unter wehenden Fahnen der rechtsradikalen Swoboda Partei den Amtsitz gestürmt und einen eigenen "Volksgouverneur" eingesetzt. Für Recht und Ordnung soll nun das berüchtigte Ajdar-Bataillon sorgen. Deren Kommandeur kündigte "politische Säuberungen" im Gebiet an. Doch Vinnytsia ist kein Einzelfall. Auch in anderen zentral- und westukrainischen Städten kam es zu ähnlichen Vorfällen.
Wie das Nachrichtenportal Telepolis berichtet, stürmten letzte Woche 600 Anhänger der rechtsradikalen Swoboda Partei unter den Losungen "Es lebe die Nation" und "Ukraine über alles" den Amtssitz des Gouverneurs in der westukrainischen Stadt. Dabei setzten sie massiv Rauchbomben ein. Neben Sowoboda-Fahnen brachten die Demonstranten auch noch einen Müllcontainer bis in den ersten Stock des Gebäudes, um eine mittlerweile etablierte "ukrainische Tradition" zu zelebrieren, die sogenannte "Müll-Lustration", bei der missliebige Politiker in Müllcontainer geworfen werden. Als Opfer war diesmal Anatoli Olejnik, Gouverneur von Vinnytsia ausersehen.
Und da der alte Gouverneur den Ultra-Nationalisten der Sowoboda nicht passte, durften diese sich am Montag gleich über einen neuen freuen: Aleksej Furman durfte sich stolz neuer "Volksgouverneur" der Stadt nennen und, welch Zufall, der gute Mann ist Swoboda-Mitglied.
Wirkliches Verständnis für diese eher rabiate Absetzung blieb in Kiew jedoch aus. Via Facebook bezog der ukrainische Innenminister und Volksfront-Mitglied Arsen Awakow Stellung:
"Es ist eindeutig, dass wir viele Minister, Polizisten, Richter und Staatsanwälte ersetzen müssen, aber doch bitte nicht mit der Taktik und den Emotionen von Idioten."
Awakows Ansicht nach sollte man bedenken, dass solches Handeln den Falschen nützen und im Rückkehrschluss ein schlechtes Licht auf die Ukraine werfen könne.
Für Recht und Ordnung in Vinnytsia soll nun das Ajdar-Bataillon sorgen. Die Regierung in Kiew brauchte keine lange Bedenkzeit, um das Bataillon, welches im Osten des Landes für ihren zweifelhaften Umgang mit Menschenrechten bekannt ist, nun auch in der Westukraine einzusetzen. Sergej Melnitschuk, Ajdar-Kommandeur und Abgeordneter der Werchowna Rada (ukrainisches Parlament), sprach sich für eine baldige "politische Säuberung" im Gebiet aus. In welche Richtung diese Säuberung gehen wird, ist angesichts seiner politischen Ausrichtung, unschwer zu erraten.
Doch die Stadt Vinnytsia ist kein Einzelfall. Unter der Führung des Vorsitzenden der Radikalen Partei, Oleg Ljaschko, wurde Aleksandr Si, Bürgermeister der zentralukrainischen Stadt Saparoschje, begleitet von einem tobenden rechten Mob am Mittwoch zum Rücktritt gezwungen.
Ljaschko, der in Kiew bei den Präsidentschaftswahlen im Mai den dritten Platz für sich erzielen konnte, ist bekannt für sein hartes Durchgreifen. Unzählige Videos und Bilder, teils von Ljaschko selbst veröffentlicht, zeigen den Chef der Radikalen Partei bei gewalttätigen Verhören von angeblichen Regimegegnern. So erklärte er auch dem Bürgermeister Si, er hätte die Wahl "zwischen Gefängnis und der Ostfront".
"Ljaschko versucht mit Gewaltmethoden sein Ordnungsverständnis in unserer Stadt durchzusetzen", erklärte Si. Die Revolution in der Ukraine habe nicht gesiegt, damit "an Stelle eines Usurpators andere Usurpatoren kommen", beugte sich dann aber schlussendlich dem Druck "der Straße" und unterschrieb das Rücktrittsgesuch.
Offiziell bestätigt werden konnte sein Rücktritt jedoch nicht. Die Abgeordneten vor Ort verließen das Geschehen so plötzlich, dass nicht mehr genug Deputierte anwesend waren, die den Rücktritt des Bürgermeisters anerkennen konnten.
Für das online Nachrichtenportal Ukrainskaja Prawda könnten die jüngsten Ereignisse im Lande die Vorwehen für eine neue "Anarchie" im Lande sein. Ähnlich sollen nach Angaben des Portals auch die Unruhen im Osten des Landes angefangen haben.
Ob jedoch auch die ukrainische Bevölkerung etwas über diese Entwicklungen im Westen des Landes erfahren wird, bleibt abzuwarten. Das am 2. Dezember etablierte Informationsministerium, hat explizit den Auftrag, "russische Propaganda zurück zu drängen" und "ukrainische Gegenpropaganda aufzubauen."
Wie Meinungsmache am effektivsten funktioniert, wird der neue Informationsminister Jiri Stez sicherlich auch wissen. Stez war zuvor Intendant des Fernsehsenders Kanal 5. Dieser gehört wiederum zum Medienkonglomerat des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko.