SPIEGELein, SPIEGELein an der Elbe - Wieso schreibst du immer nur dasselbe?

Wie schafft man es effektiv und effizient ein einst renommiertes Nachrichtenmagazin innerhalb kürzester Zeit von seinen Lesern zu entfremden und in eine inhaltliche und strategische Sackgasse zu führen, Verheizung zahlreicher Chefredakteure inklusive? Ein SPIEGEL-Lehrstück in wenigen Akten.
Es ist also geschafft. Der sechste Chefredakteur innerhalb von 25 Jahren tritt beim SPIEGEL ab. Angetreten war Wolfgang Büchner vor 15 Monaten, ganz dem neoliberalen Zeitgeist verpflichtet, als "Change-Manager" und mit der herausfordernden aber nicht unlösbaren Aufgabe, den Print- und Onlinebereich besser zu verzahnen, um so eine Lösung zu finden gegen die rapide sinkenden Abo-Zahlen der Printausgabe. So weit. So schlecht. In den internen Diskussionen und Streitpunkten, die auch immer gerne an die Öffentlichkeit geleakt wurden, lag der Schwerpunkt auf strukturellen und kulturellen Aspekten. Print- gegen Onlineredaktion. 1. Klasse gegen (im besten Falle) 2. Klasse-Journalisten. Tatsächlich gibt es enorme Gefälle bei Einkommen, Sozialleistungen und Mitbestimmungsrechten zwischen beiden Redaktionen. Von "Kulturkämpfen" war zudem immer die Rede. Je nach Ausrichtung waren es entweder "die uneinsichtigen Print-Ressortleiter gegen den großen Reformer" oder der "machiavellistische Change-Manager" gegen die "leidenschaftlichen und kritischen Printjournalisten". Mit dem Abtritt von Büchner und dem ihn stützenden langjährigen Geschäftsführer Ove Saffe hat anscheinend die Printredaktion nun den "Kulturkampf" für sich entschieden. Vorläufig und vermutlich ein Pyrrhussieg. Nach der offiziellen Bekanntgabe, dass Büchner Ende des Jahres das Verlagshaus verlässt, schrieb sich der langjährige SPIEGEL-Journalist Cordt Schnibbens seinen Frust (sehr aufschlussreich) bei Facebook von der journalistischen Leber. Schnibbens Fazit lautet:  "Er [Büchner] war der falsche Mann zum richtigen Zeitpunkt am falschen Ort." Und weiter: "Bekommen haben wir einen Chefredakteur, der Online und Print gegeneinander in Stellung gebracht hat, der Diskussionen mit Redakteuren großräumig vermied, der als journalistischer Inspirator weder bei Print noch bei Online auffiel, der sich um die Cover-Gestaltung des Heftes nur in Viertelstündchen widmete: So entstand mal eben "Stoppt Putin jetzt!” und endete als Rüge vorm Presserat. Und dessen Digital-Strategie sich schnell erwies als Weg in zwei Sackgassen." Damit wissen wir nun zumindest wie das Cover "Stoppt Putin jetzt" entstanden ist. Nach einer Viertelstunde abgenickt. SPIEGEL, ein Qualitätsmedium Made in Germany. So erkenntnisreich und treffend Schnibbens fast dreiseitige Abrechnung mit dem baldigen ex-Chefredakteur und der SPIEGEL-Krise  an sich auch ist, so sinnbildlich ist für den Niedergang des Magazins auch das, war er dabei völlig ausblendet. Er hinterfragt nicht ein einziges Mal kritisch die ausgeprägte Zweiklassengesellschaft seines Hauses und noch weit elementarer, die inhaltliche, politische Gestaltung des Blattes. Denn was bei der ganzen Diskussion, von der gesamten Redaktion und auch in der Berichterstattung zum SPIEGEL völlig ignoriert wird, ist die enorme Unzufriedenheit und Kritik der (ehemaligen) SPIEGEL-Leser. Es ist zumindest nach den eingehenden Leserzuschriften und dem öffentlich gemachten Unmut zu urteilen, vor allem die ideologisch-transatlantische und marktkonforme Agenda des SPIEGELs, die die Leser weggetrieben hat. Mit einer Mischung aus Deutschtümelei und gnadenlosem Opportunismus hechelt das Blatt seit Jahren einem Zeitgeist hinterher, der stilgebend für die Merkel-Ära ist. Ein Zeitgeist der sich so langsam seinem Ende nähert und entsprechend weniger Leser findet. Aus dem einstigen selbst ernannten "Sturmgeschütz der Demokratie" wurde ein Steigbügelhalter der Marktkonformität. Wenn aber die SPIEGEL-Redakteure trotzdem ernsthaft glauben, ihre Abo-Zahlen gehen so dramatisch nach unten, weil die digitale Verzahnung noch nicht vollzogen wurde und ihre Krisenanalyse sich darauf beschränkt, dann kann man dem SPIEGEL eine Zukunft vorhersagen, die der der FDP sehr ähneln wird. Beide werde einfach in der Bundesrepublik nicht mehr gebraucht. Von RT Deutsch Output Editor Florian Warweg