Weiterhin keine positiven Aussichten für Europas Wirtschaft. Die am Mittwoch veröffentlichten makroökonomischen Daten für die Eurozone lassen erahnen, dass eine Erholung der krisengeschüttelten Region auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.
Gegenüber dem US-Dollar befindet sich der Euro nahe am niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Im letzten halben Jahr hat die europäische Einheitswährung mehr als 10 Prozent an Wert eingebüßt und die Mehrheit der Marktbeobachter rechnet bis zum Jahresende mit einem Absturz auf 1,20 US-Dollar.
Auch die Aktenindizes verloren an Wert, nachdem die Bank of England ihre Vorhersagen bezüglich des Wirtschaftswachstums und der Inflationsentwicklung deutlich gesenkt hatten.
Der Ökonom Jim O’Neill, der im Jahre 2001 den Begriff "BRICS" zur Umschreibung der weltweit erfolgreichsten Schwellenländer geprägt hatte, sieht ein grundsätzliches Problem hinter den anhaltend durchwachsenen Wirtschaftsdaten. Teil davon sei die beständige Neigung europäischer Politiker, die EU für den Dreh- und Angelpunkt der Welt zu halten.
"Europa braucht eine neue Politik", diagnostiziert O’Neill gegenüber der Wirtschaftswoche. "Berlin, Paris und vor allem Brüssel denken nicht außerhalb der Box. Sie sprechen beständig nur von einem europäischen heimischen Markt, der aber faktisch nicht existiert."
Während die BRIC-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika innerhalb des letzten Jahrzehnts – wie der Ökonom vorausgesagt hatte – rapides Wachstum zu verzeichnen hatten und auch weltweit zu bedeutenden Wirtschaftsakteuren geworden waren, wuchs Europas Wirtschaft zuletzt lediglich um 1,5 Prozent und im Laufe des letzten Jahrzehnts nur um 0,2 Prozent.
Was am gravierendsten ist: Europa scheint auch nicht mehr fähig zu sein, sich effektiv aus dieser Lage heraus zu manövrieren. Die Industrieproduktion ist auf ihrem niedrigsten Stand seit langer Zeit, und demografisch ist die Lage prekärer als je zuvor.
Zusätzlich zu einer aus unbegründeter Selbstgefälligkeit herrührenden geistigen Erstarrung, deren Symptome O‘Neill nennt, tragen auch eklatante politische Fehlentscheidungen zur Verschärfung der Situation bei. Wer von einem europäischen Land in ein anderes ziehe, habe mit Doppelbesteuerung, Problemen in der sozialen und medizinischen Versorgung sowie zahlreichen zusätzlichen Belastungen zu rechnen.
Alleine schon dies trage dazu bei, dass Europa nicht in der Lage ist, die neuen Herausforderungen zu bewältigen und hinsichtlich der globalen Wettbewerbsfähigkeit den BRIC-Ländern noch Paroli zu bieten.
Auch Deutschland habe seine Wachstumsprognosen für 2014 und 2015 bereits wieder weiter abgesenkt. Die Verlangsamung der Industrieproduktion und das sinkende Vertrauen der Unternehmen in die Wirtschaftsentwicklung in Anbetracht der geopolitischen Krisen illustriere, dass die Regierung Angela Merkels zuletzt in eine definitiv falsche Richtung gegangen sei.