Wehrmacht 2.0 - Die Geschichte einer Remilitarisierung

Der für rassistische Agitation und kriegstreiberische Berichterstattung berüchtigten "Bild" geht das deutsche Engagement im Irak nicht weit genug: "Kritik am Kurs der Bundesregierung wächst - Warum bombt nicht auch Deutschland gegen ISIS?" titelt Springer. Und Ex-Generalinspekteur Harald Kujat sekundiert: "Eine Beteiligung an Lufteinsätzen wäre eindeutig das klarere Signal."
Es war niemand Geringerer als der spätere bayerische Ministerpräsident und fanatische Antikommunist Franz Josef Strauß, der 1949 äußerte: "Wer noch einmal den Schießprügel in die Hand nehmen will, dem soll die Hand abfallen." Auch Alt-Bundestagsvizepräsident Carlo Schmid wurde deutlich, als er sagte: "Der Antimilitarismus ist die eigentliche Weltanschauung der deutschen Jugend nach dem Krieg geworden". Noch zu Beginn der 1950er Jahre war auch nur der Gedanke an eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik in der Bevölkerung höchst unbeliebt. 5,3 Millionen gefallener Soldaten, 1,7 Millionen toter Zivilisten: Hitlers Großreichsfantasien hatten ein zerstörtes und in Apathie gefallenes Land hinterlassen. Das "Nie wieder" wurde zum nationalen Imperativ. Schon bald sollte das "Nie" jedoch eine jähe Revision erfahren. Der Korea-Krieg und die Blockkonfrontation ließen vor allem seitens der westlichen Besatzungsmächte den Gedanken aufkommen, Westdeutschland wieder ein Mehr an Souveränität zuzugestehen, wenn man sich im Gegenzug dazu bereit zeigt, notfalls auch bewaffnet das eigene Territorium gegen die vermeintliche Bedrohung aus dem Osten zu schützen. Gegen die FDJ, die eine Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung initiieren wollte, wurde mit massiver Repression und 1951 mit einem Verbot vorgegangen. 1952 folgte das Verbot der KPD und damit einer weiteren politischen Kraft, die sich gegen den Wiederaufbau einer deutschen Armee aussprach, deren Namensfindung schwierig war. Immerhin wollten Umfragen zufolge 35 Prozent der Bevölkerung diese wieder "Wehrmacht" nennen. 1956 wurde im Sicherheitsausschuss der Name "Bundeswehr" durchgesetzt. Eliten setzten Remilitarisierung gegen den Willen der Bevölkerung durch Die Streitkräfte sollten künftig demokratisch verankert sein, einem zivilen Oberbefehl unterliegen, parlamentarisch kontrolliert werden und nicht in die Lage versetzt werden, eigenständig Krieg zu führen. Dafür jedoch umso stärker in das westliche Militärbündnis eingebunden sein. 1955 schaffen die USA heimlich erste Atombomben nach Deutschland. Adenauer billigt die Ambitionen seines nunmehr zum Befürworter einer "massiven Vergeltung" mutierten Verteidigungsministers Strauß und verniedlicht Atomwaffen als "Weiterentwicklung der Artillerie". 1958 erlaubt der Bundestag, die Bundeswehr mit "modernsten Waffen" auszurüsten. Trotz NATO-Doppelbeschlusses und weiterer Maßnahmen zur Remilitarisierung Deutschlands blieben die Kriegstreiber lange in der Defensive. Die Friedensbewegung war in den 1980er Jahren massiv auf den Straßen präsent, Militäreinsätze im Ausland galten vor Mitte der 1990er Jahre als politisch kaum durchsetzbar und wenn, dann durften in diesem Zusammenhang lediglich zivile Aufgaben verrichtet werden. Die Beteiligung der deutschen Luftwaffe am Kriegseinsatz im Kosovo wurde als solche im Rahmen einer "humanitären Intervention" gerechtfertigt – Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), in früheren Jahren durch die Teilnahme an teils gewalttätigen Kundgebungen gegen US-Interessen aufgefallen, schien auf diesem Wege dem Großen Bruder jenseits des Atlantiks seine Loyalität versichern zu wollen. Dissertationsschwindler zu Guttenberg sprach Wahrheit über "Kriegseinsätze" Seit dieser Zeit und der Teilnahme der Bundeswehr am Einsatz in Afghanistan im Rahmen des Anti-Terror-Kampfs auf der Basis des NATO-Statuts wird die Teilnahme an Auslandseinsätzen zunehmend zur Gewohnheit, zumal in aller Regel immer noch keine Kampfeinsätze damit verbunden sind. Unter Soldaten und ihren Familien sind sie zudem ob der guten Bezahlung wegen beliebt – nicht wenige finanzierten sich ihr privates Eigenheim durch ein paar Jahre am Horn von Afrika oder in Afghanistan. Eine endgültige Wende brachten dann die "Kunduz-Affäre", als der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erstmals in der Öffentlichkeit von einem "Kriegseinsatz" sprach, und die Übernahme des Präsidentenamtes durch Joachim Gauck, der seither nicht nur im Ausland und gegenüber anderen Staaten mit neowilhelminischer Arroganz auftritt, sondern die Bevölkerung immer wieder zur "Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt" auffordert – auch bewaffnet, und auch unter Inkaufnahme von eigenen Opfern. So wird es letztlich auch erklärbar, wo die Behauptung herrührt, die "Verteidigungsarmee" Bundeswehr wäre unzureichend auf globale Erfordernisse moderner Kriegsführung vorbereitet und weshalb nun plötzlich mehr Geld und Aufrüstung gefordert werden. Offenbar soll die Kriegsführung allmählich wieder aus der Tabuzone geholt werden. Stellt sich nur die Frage, gegen welchen Feind...?!