Friedensbewegung reloaded: Kriegsgegner mobilisieren erfolgreich zum Protest nach Ramstein
Rund 1.500 Demonstranten beteiligten sich am Samstag an der Demonstration "Stopp Ramstein - Kein Drohnenkrieg!" vor dem abgelegenen US-Militärstützpunkt. Die Protestaktion war auch ein Gradmesser für den Zustand der Friedensbewegung in Deutschland. Nach dem Wochenende ist klar: Mit dem Bündnis kann wieder gerechnet werden. Auch wenn deutsche Medien den Protest entweder gezielt verschweigen oder wie der SWR die Teilnehmerzahl in geradezu grotesk manipulativer Weise mit "unter 100" angegeben hat.
von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild
"Stopp Ramstein - Kein Drohnenkrieg!" - mit dieser Forderung mobilisierte die Friedensbewegung am vergangenen Samstag zum größten Militärstützpunkt der USA außerhalb der Vereinigten Staaten. Von Ramstein aus - das ist mittlerweile bekannt - werden die US-amerikanischen Drohnenkriege maßgeblich mitorganisiert.
1.400 Hektar umfasst das Areal, rund 41.000 Menschen arbeiten auf der Air Base. Auch unter dem Eindruck der kürzlich bekannt gewordenen Modernisierung der US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel, ging es den Demonstranten darum, ein klares Zeichen gegen Kriegstreiberei von deutschem Boden aus zu setzen. Doch die Demonstration war auch ein wichtiger Gradmesser für den Zustand der Friedensbewegung als solche. Natürlich hätte man diesen Test der eigenen Mobilisierungsstärke auch einfacher gestalten können. Das Militärgelände in der rheinland-pfälzischen Provinz ist alles andere als leicht erreichbar.
Viele Demonstranten nahmen stundenlange Auto-, Bus- oder Zugfahrten auf sich, um zu dem abgelegenen Demonstrationsort zu gelangen. Am Ende konnte ein eindrucksvolles Zeichen gesetzt werden. Statt, wie von der Polizei erwartet 500 Demonstranten, kamen über 1.500 Menschen, die sich dem Protest anschlossen. Die größte Demonstration in Ramstein seit Jahren.
Viele hier sind zum ersten mal in ihrem Leben auf einer Demonstration. So auch Thorsten. Der 31-Jährige aus der Nähe von Karlsruhe informiert sich seit einiger Zeit über alternative Medien im Internet und sucht schon seit längerem eine Möglichkeit etwas, "gegen die zunehmenden Probleme auf der Welt" zu tun. Der Drohnenkrieg, der von Ramstein aus organisiert wird, sei dabei ein wichtiger Punkt, jedoch nicht der einzige. Insgesamt nehmen Kriege und Ungerechtigkeit zu, sagt Thorsten.
Zum ersten Mal auf einer Demonstration sind auch Johannes (31) und Daniel (36) aus Brandenburg. "Den eigenen Unmut auf Facebook zu teilen, reicht nicht mehr", sagen sie. "Es ist wichtig, Präsenz zu zeigen", denn so könne es nicht weitergehen. Sie sind hier um für Frieden zu demonstrieren, doch ein entscheidender Auslöser für eigenes Engagement sei für ihn auch die Flüchtlingsdebatte gewesen, sagt Johannes. "Krieg produziert Flüchtlinge", das wurde dem Demoneuling schnell klar, als er sich über die Hintergründe der wachsenden Migrationsströme informiert hat. "So kann es nicht weitergehen", sind sich die Neudemonstranten sicher.
Schon länger an Demonstrationen und Protestaktionen beteiligt sind Aryane, Benny, Chris und Ben aus Berlin. Die vier gehören dort zum Orgateam der Mahnwachen für den Frieden, die seit Frühjahr 2014 jeden Montag stattfinden. Neben ihrem alltäglichen Engagement auch in Ramstein dabei zu sein, ist ihnen ein Herzensanliegen, stellt Benny klar. Für den Aktivisten wurde der Einsatz für Frieden längst zur Lebensaufgabe. Auch gibt es laut ihnen eine gewisse Dringlichkeit in der Frage von Krieg und Frieden, weshalb die vier - zusammen mit zahlreichen anderen Berlinern - die weite Fahrt in die Pfalz auf sich genommen haben.
Die mediale, meist ablehnende bis hin zu verleumderische Rezeption der Mahnwachen für den Frieden bezeichnen die vier Aktivisten als "generell unfair". "Es wurde nicht genau hingeschaut, alle wurden in einen Topf geschmissen", sagt Ben. "Auch gab es eine mangelnde Bereitschaft zur direkten Kommunikation mit uns, stattdessen erlebten wir Vorverurteilungen und unreflektiertes Schubladendenken", fügt Benny hinzu. Chris weist auf den Dreischritt hin, mit dem auf ihr Friedensengagement immer wieder reagiert wird: "lächerlich machen, verunglimpfen, bekämpfen".
Doch für die Vier ist klar, dass sie weitermachen werden. Jeden Montag, im Herzen Berlins auf dem Potsdamer Platz, wollen sie die Bevölkerung aus dem Alltag aufrütteln und für politische Teilhabe sensibilisieren.
"Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem die Bevölkerung anfangen muss, sich selbst zu informieren", sagt Aryane und erinnert an die Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, als 1979 Hunderttausende auch in Deutschland auf die Straßen gingen. Davon ist man heute, trotz des Mobilisierungserfolges von Ramstein noch weit entfernt. "Wo seid ihr?", fragt die Aktivistin.
Über die Mahnwachen für den Frieden wurden auch Christina und Rolf (70) aus Köln politisiert. Seit Beginn der Friedensdemonstrationen sind die beiden regelmäßig aktiv und protestieren heute "gegen einen Schurkenstaat", wie sie sagen. Dafür sind sie 2,5 Stunden mit dem Auto gefahren. In ihrem Freundeskreis trifft ihr politisches Engagement meist auf Ablehnung. "Viele haben einfach Angst den Mund aufzumachen oder sehen keine wirkliche Gefahr, wiegeln ab, sobald es zu politischen Gesprächen kommt", so Rolf.
Neben einigen Parteifahnen der Linken und den Bannern zahlreicher alteingesessener Friedensbündnisse, sticht auch ein Transparent der Grünen ins Auge. Paul und Andreas sind Mitglieder der Grünen Kaiserslautern, Andreas ist dort Kreisgeschäftsführer. Für die Entscheidung an der Stopp Ramstein-Demo teilzunehmen wurde ein Vorstandsbeschluss gefasst. "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen", sagt Paul. Andreas kommentiert die generelle politische Linie seiner Partei wie folgt:
"Die Grünen sind weiterhin Teil der Friedensbewegung, trotz Fehlern in der Vergangenheit. Aus diesen sollte man für die Zukunft lernen."
Die beiden versprechen:
"Die Kreisverbände bleiben bei dem Thema am Ball und werden es in die Landespartei tragen."
Unterstützt werden die beiden Grünen dabei von Roland Vogt. Auf der Zwischenkundgebung hält der einstige Bundestagsabgeordnete ihrer Partei eine Rede. Seit einigen Jahren gilt Vogts Engagement dem Aufbau des Petra Kelly-Kreises, mit dem grünen Gründungsidealen wieder eine gemeinsame Basis gegeben werden soll.
Zu den Höhepunkten der Veranstaltung gehört Albrecht Müllers Rede auf der Abschlusskundgebung. Der Herausgeber der NachDenkSeiten plädiert vor allem für die Stärkung der sich aufbauenden Gegenöffentlichkeit und dankt ausdrücklich den vielen Medienprojekten, die daran bereits arbeiten. Gegen die sabotageartigen Widerstände auch aus Reihen des linken Spektrums spricht sich klar der linke Bundestagsabgeordnete Alexander Neu in seinem Redebeitrag aus. Neben dem Namen Jutta Ditfurth fällt dabei auch der Name des Vorsitzenden des Berliner Landesverbandes der LINKEN, Klaus Lederer. Als weiteres Highlight kann Reiner Braun, Geschäftsführer von IALANA (International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms) und einer der Hauptorganisatoren der Protestveranstaltung, ein Grußwort des neuen Labourchefs Jeremy Corbyn an die Demonstranten verlesen.
Bei den Organisatoren ist man sich zum Abschluss der Demonstration einig: "Stopp Ramstein" war ein voller Erfolg - und da man auf der Militärbasis dennoch relativ unbeeindruckt davon weiter seinen Dienst erfüllt, wird es natürlich weitergehen. Das Signal des Tages lautet vor allem: Die Friedensbewegung ist wieder da. An den deutschen Mainstream-Medien scheint dieser Erfolg auf wunderhafte Weise jedoch gänzlich vorbei gegangen zu sein. Lediglich der SWR kommentierte die Protestaktion mit einer Kurzmeldung auf seiner Internetseite. "Statt der erwarteten 500 Teilnehmer [sind] nicht einmal 100 gekommen", heißt es darin.
Eindrucksvoller kann der Zusammenhang zwischen Kriegspolitik und System-Medien nicht belegt werden.
Anmerkung der Redaktion: Der SWR hat den hier dokumentierten Beitrag mittlerweile kommentarlos gelöscht und eine leicht veränderte, vordatierte Meldung in Umlauf gebracht. Die Ständige Publikumskonferenz hat mittlerweile eine Programmbeschwerde eingelegt.