Syrien: Die USA wollen vom "Regime Change" nicht lassen

Die USA wollen nicht vom Nation Building lassen – nicht etwa in ihrem eigenen Land, wo es der New York Times zufolge allein zwischen 2000 und 2013 nicht weniger als 160 Amokläufe gegeben habe, sondern in fernen Ländern, über deren Situation man nicht selten entweder äußerst schlichte oder sogar falsche Vorstellungen hat.
Ungeachtet der Tatsache, dass man die derzeitige Militäraktion gegen die Miliz "Islamischer Staat" (IS; ehem. ISIS) in Syrien und Irak möglicherweise gar nicht erst führen müsste, hätte man nicht den 2011 begonnenen bewaffneten Aufstand gegen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad unterstützt, ist das Thema "Regime Change" offenbar immer noch nicht vom Tisch. Im Gegenteil,  jetzt soll offenbar die "richtige" Fassung der "Demokratisierung" Syriens durch die "richtige" Opposition stattfinden. Und zu diesem Zweck sucht auch die Syrische Nationale Koalition (SNC) unter ihrem neuen  (dem mittlerweile wievielten eigentlich?)  Präsidenten Hadi al-Bahra am Rande der Sitzung des UN-Sicherheitsrates in New York Unterstützung für ihr Vorhaben, die Macht in Syrien an sich zu reißen. In Medieninterviews spricht er unter anderem offen von seiner Hoffnung auf einen Regime-Change durch die Militärintervention und sogar von einer gemeinsamen Front zwischen der Freien Syrischen Armee und den bislang in erster Linie durch Massaker und mit Videobildern belegten Kannibalismus in Erscheinung getretenen Al-Nusra Milizen. Der Rückhalt der Syrischen Nationale Koalition (SNC) in der syrischen Bevölkerung dürfte in etwa jenem der Partei Die Linke in niederbayerischen Bauerndörfern nahe kommen. Ihre Vorsitzenden wechseln schnell, je nachdem, welches der Unterstützerländer der syrischen Opposition gerade seine Interessen durchzusetzen vermag. Dennoch haben USA, Frankreich, Großbritannien, die Türkei und der Golfkooperationsrat das Oppositionsbündnis im Jahr 2012 als "einzig legitime Vertretung des syrischen Volkes" anerkannt – wobei die übergroße Mehrheit des Letzteren gar nichts von ihrem Glück wusste, geschweige denn im Vorfeld gefragt worden wäre. Der Westen tritt dabei in ein Fettnäpfchen, aus dem es sich nicht so einfach verabschieden kann, wenn die Muslime des Nahen Ostens künftige Interventionen, ausgehend aus den USA oder Europa, als "modernen" Kreuzzug werten. Der größtenteils interreligiöse Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten/Alawiten, könnte damit zumindest Europa, wo viele von der Gesellschaft marginalisierte, diskriminierte und zunehmend gewaltbereite Muslime leben, mit geballter Kraft treffen. Militärisch hat sich die dem SNC zuordnende Freie Syrische Armee (FSA) als weitgehend bedeutungslos erwiesen, nicht selten wurde sie zwischen den Regierungstruppen und den Milizen aus dem "dschihadistischen" Lager aufgerieben. Für die USA und ihre Verbündeten dennoch kein Grund, nicht noch weiter Geld und Waffen in dieses Fass ohne Boden zu stopfen. Unterstützung macht den Westen selbst zur Konfliktpartei Militärische Interventionen machen jedoch, wenn sie in Verbindung mit Waffenlieferungen und der Ausbildung "moderater" Streitkräfte einhergehen, denjenigen, von dem sie ausgehen, selbst zur Partei in einem innenpolitischen Konflikt und stellen einen Eingriff in die Souveränitätsrechte eines Staates dar. Zumal al-Bahra selbst einräumt, dass die FSA und al-Nusra einander nicht bekämpfen würden, sondern beide Gegner der Regierung Assads seien. So bestritt er in einem Fernsehinterview, die FSA würde mit der Al-Qaida-Terrormiliz kooperieren oder sich koordinieren, aber "es geht um Fakten auf dem Boden. Man trifft die Entscheidungen auf dem Kampffeld."