Regierungserklärung zu Krieg und Flüchtlingen: Die seltsame Realität der Angela M.
In ihrer gestrigen Regierungserklärung zur Haushaltsdebatte im Bundestag zog Kanzlerin Angela Merkel eine Bilanz ihrer Arbeit und äußerte sich zu der anwachsenden Flüchtlingskrise, die in Deutschland seit Wochen den öffentlichen Diskurs bestimmt. Zwar benannte Merkel Krieg als Fluchtursache, klammerte jedoch vollends aus, dass die von ihr unterstützte Politik ebendiese Kriege erst entfesselt hat. Ein Sezieren der Worte Merkels fördert eine erstaunliche Realitätsverweigerung der Kanzlerin zu Tage. Auch den Regierungssprechern scheint der Zusammenhang zwischen Angriffskriegen und Massenflucht nicht bewusst zu sein.
Bevor Merkel auf das unumstrittende Top-Thema dieser Tage einging, lobte sich die Regierungschefin ausführlich selbst - etwa mit den Zahlen des Ausbaus von Breitband-Internetleitungen in Deutschland. Hört man Angela Merkel zu, könnte man davon ausgehen, alles sei in bester Ordnung. Kein Wort davon, dass die herrschende Politik mit ihren neoliberalen Gewaltakten gegen die Gesellschaft gezielt die breite Masse der Bevölkerung verarmen lässt, während sich Millionäre und Milliardäre über immer größere Vermögenszuwächse freuen, wie eine aktuelle Oxfam-Studie belegt.
In orwell'scher Manier verdreht die Kanzlerin in ihrer Rede konsequent die Realität. Spanien - dort leiden fast 50 Prozent der Jugendlichen unter Arbeitslosigkeit - "wachse überdurchschnittlich". "Man kann nur sagen, dass sich der Reformweg gelohnt hat", so Merkel.
Die erfolgreiche Erpressung Griechenlands durch die Eurogruppe einschließlich der umfangreichen Plünderung des griechischen Staatseigentums durch internationale Finanzeliten auf Kosten der Bevölkerung, wird als "umfassendes Programm, das Griechenland eine Chance bietet" bezeichnet.
Doch mit der Verdrehung bereits implementierter Ausbeutungsmaßnahmen gibt sich Merkel nicht zufrieden. Nahtlos an die Selbstbeweihräucherung aufgrund vorgeblicher Erfolge reiht sich ein Werbeblock für das hoch umstrittene geplante Freihandelsabkommen TTIP. Zahlreiche Kritiker führen an, dass es sich bei dem geheim verhandelten Vertragswerk um einen Blankoscheck für Konzerne handelt, um Staaten zu verklagen, wenn diese durch Sozial- und Umweltstandards die Unternehmensprofite gefährden.
Auch zeigt eine Analye bereits geleakter Auszüge aus dem mit TTIP eng verknüpften Zusatzabkommen TiSA, dass die Programme gezielt kleinen, mittelständischen und regionalen Produzenten schaden. Einer Zentralisierung der Wirtschaftsmacht bei transnationalen Multis spielen die Abkommen ebenso in die Hände. Merkel kommentiert dies kurz und bündig als "Freihandelsabkommen der Zukunft".
Die Zustände in der Pflege, in der skandalöse und menschenunwürdige Zustände herrschen, wie RT Deutsch jüngst in einem Interview mit zwei Pflegekräften aufdeckte, werden als erfolgreich und vorbildlich verklärt.
Ungeachtet der Tatsachen, bezeichnet Merkel mit Blick auf die Ukraine die Sezession der Krim mittels eines Referendums als russische "Annexion". Längst ist belegt, dass diese Wortwahl in keiner Weise völkerrechtlich haltbar ist und nur aus Gründen der Propaganda von Mainstreammedien und politisch Verantwortlichen genutzt wird , um Aggressionen der NATO-Staaten gegen Russland zu legitimieren.
In der zweiten Hälfte ihrer Regierungserklärung geht Merkel auf das Flüchtlingsthema ein. Es überrascht schon fast, dass der Kanzlerin bewusst zu sein scheint, dass die massenhafte Flucht aus Staaten wie Syrien, dem Irak, Afghanistan oder Libyen die Folge der Kriege in ebendiesen Ländern ist. Dass die große Mehrheit dieser Staaten mit offenen Angriffskriegen der Vereinigten Staaten - unterstützt von ihren Verbündeten einschließlich Deutschland - destabilisiert wurde, findet in Merkels Realität freilich keinen Platz.
In den blumigen Worten der Kanzlerin hat Deutschland hier lediglich unterdrückten Minderheiten "geholfen". Kein Wort vom völkerrechtswidrigen Irak-Krieg, kein Wort vom Überfall der NATO auf Libyen, kein Wort vom illegalen US-geführten Drohnenkrieg, der auch über das deutsche Ramstein organisiert wird. Wer so redet, versucht sein Volk für dumm zu verkaufen.
Alexander Neu (Die Linke), Obmann im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestags, bringt die Unehrlichkeit der Bundesregierung in militärischen Fragen auf den Punkt und macht deutlich, dass es das Bestreben der Merkel-Regierung ist, den eingeschlagenen Weg konsequent weiter zu gehen. Nicht nur geben die NATO-Staaten dreimal so viel für Rüstung und Militär aus wie China und Russland zusammen, auch kostet diese offensive und zunehmende Militarisierung jeden Bundesbürger 450 Euro im Jahr.
Neu und seine Fraktion fordern:
"Stoppen Sie das Durchfüttern der Rüstungsindustrie, investieren Sie Steuergelder in zivile Infrastruktur anstatt in militärische Sandkastenspiele. Betreiben Sie aktiv Friedenspolitik für Europa - tragen Sie dazu bei, dass es einen ökonomischen und sicherheitskollektiven Raum von Lissabon bis Wladiwostok gibt."
In der Bundespressekonferenz gab Martin Schäfer, Sprecher des Außenministeriums, derweil mit Blick auf die Ursachen der Flüchtlingsströme m14s">bekannt:
"Ein riesen Problem ist die Erosion von Staatlichkeit. Die Erosion der Funktionsfähigkeit von Staaten. Wir blicken nach Libyen und stellen da einen gescheiterten Staat fest."
Doch was sind die Gründe für diese Erosion der Staatlichkeit? Kein Wort dazu von Schneider. Das vom Westen mit einem Angriffskrieg gestürzte ehemalige Staatsoberhaupt Libyens, Muammar al-Gaddafi, gab noch vor seiner Ermordung im Jahre 2011 zu Protokoll:
"Ihr sollt mich recht verstehen. Wenn ihr mich bedrängt und destabilisieren wollt, werdet ihr Verwirrung stiften, Bin Laden in die Hände spielen und bewaffnete Rebellenhaufen begünstigen. Folgendes wird sich ereignen. Ihr werdet von einer Immigrationswelle aus Afrika überschwemmt werden, die von Libyen aus nach Europa überschwappt. Es wird niemand mehr da sein, um sie aufzuhalten."
Die Worte des einstigen Verbündeten des Westens hallen noch heute auf bittere Weise nach und bestätigen: Wer Krieg sät, wird Flüchtlinge ernten. Wer eine Lösung für Flucht und Vertreibung sucht, sollte deshalb nun fragen: Wer sät seit Jahrzehnten Krieg auf diesem Planeten?
Eine Frage, die man in Merkels Regierungserklärung vergeblich sucht.