Die "Querfront-Verschwörung" - Wie die Otto-Brenner-Stiftung sich um ihre Glaubwürdigkeit bringt
Stolz präsentierte Wolfgang Storz am 15. August seine Studie "'Querfront' - Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks" als Projekt der zur IG Metall gehörenden Otto-Brenner-Stiftung. Auf 55 Seiten versucht Storz Brisantes aufzudecken, konstruiert und "belegt" ein vermeintliches "Querfront-Netzwerk" in den Medien. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung weist der Arbeit grobe methodologische und inhaltliche Mängel nach.
von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild
Für die genauere Revision von Storz' Studie benötigt Sabine Schiffer, Sprachwissenschaftlerin, Medienpädagogin und Gründerin des Instituts für Medienverantwortung nur sieben Seiten. Schiffers Ergebnis ist eindeutig: Bei dem "Querfront"-Papier der Otto-Brenner-Stiftung handelt es sich allenfalls um eine Teilstudie, die konsequent alle wissenschaftlichen Standards missachtet, ergoogelte Unterstellungen an die Stelle gesichteter Erkenntnisse setzt und sich selbst den Vorwurf gefallen lassen muss, mit der Konstruktion eines nicht näher definierten "Querfront-Netzwerkes", das drauf und dran sei die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik zu gefährden, eine eigene Verschwörungstheorie zu kolportieren.
Weiter führt Schiffer an, dass Wolfang Storz, Autor der Studie, keinen einzigen belegten Versuch unternommen hat, die von ihm "untersuchten" Medienmacher zu einer persönlichen Stellungnahme zu den im Duktus einer Anklage erhobenen Charakterisierungen zu bewegen. Stattdessen füllt das Papier "Belege" wie "einhellig (negativ) urteilende Medien" und andere abwertend konnotierte Einordnungen, die vom Hörensagen herrühren. Vermeintliche Verbindungen zwischen den angeführten alternativen Medien, die laut Storz eine Art strategisches Netzwerk bilden, werden - wenn überhaupt - dadurch nachgewiesen, dass von (oft auch einseitigen) Quer-Verlinkungen auf den untersuchten Webangeboten berichtet wird. Eine Logik, nach der RT Deutsch auch ein "strategisches Netzwerk" mit der New York Times bilden müsste, wurden auf dieser Seite schließlich schon Artikel der US-amerikanischen Zeitung verlinkt. In Schiffers Papier heißt es:
"Bei Interesse ließe sich freilich klären, ob und welche Verbindungen zwischen einzelnen Akteuren im Netz bestehen und ob sie gemeinsame Ziele verfolgen – indem man zunächst einmal recherchiert, wo ein Inhalt zuerst veröffentlicht wurde und ob ein Link „erwidert“ wird, sprich: die verlinkte Webseite ebenfalls die andere verlinkt. Das könnte ein erster Hinweis sein, dem man nachgehen müsste. Und dann gilt es, die gute alte Recherchemethode der Interviewanfrage anzuwenden und bei den Betroffenen nachzufragen, Stellungnahmen zu den Verdächtigungen einzufordern und diese gegebenenfalls zu zitieren – oder auch seine Meinung zu korrigieren, wenn man etwa erfährt, dass bestimmte Kontakte nie existierten oder längst abgebrochen wurden. Das würde vor peinlichen Fehlschlüssen schützen, wie sie die aktuelle „Studie“ aufweist."
Soweit einige der zahlreichen methodischen Unzulänglichkeiten der "Studie". Doch auch inhaltlich bleibt für Schiffer einiges zu kritisieren. So erschließt sich nicht, warum die in der Studie ausgewählten Medienangebote ausgewählt wurden, andere aber nicht. Schiffer stellt die Frage in den Raum, ob es sich bei dem Papier möglicherweise um eine Auftragsarbeit handelt, mit dem Ziel, zwanghaft Links-Rechts-Verbindungen zwischen bestimmten Akteuren nachzuweisen - und genau so mutet das Ergebnis auch an:
"Sollte hier ein Studienauftrag vorgelegen haben, nach „Belegen“ für rechts-links Verknüpfungen zu suchen, dann könnte das erklären, warum die Auffindung vermeintlicher Beweise zu vorschneller Akzeptanz der These, statt der üblichen Recherche, führte."
Bereits einleitend wird neben Elsässer, den islamfeindlichen pi-news, dem Kopp Verlag und querdenken.tv von Michael Vogt der freie Journalist Ken Jebsen genannt. In der ursprünglichen Version der Studie wurde auch das linke Webportal weltnetz.tv aufgeführt. Doch die weltnetz-Macher erwirkten bereits, dass die Erwähnung ihrer Seite aus der "Studie" gestrichen werden musste. Die Seite geriet nur in Storzens Fadenkreuz, da andere Intenetangebote Verlinkungen auf weltnetz.tv setzten, auf die die Macher des Infoportals keinen Einfluss hatten.
Zahlreiche andere Info-Angebote fallen ohne weitere Begründung gänzlich aus der Aufzählung heraus. Doch es geht auch wohl eher um holzschnittartige Etikettierung: Hier einige vermeintlich rechte, dort welche, die eher als links gelten, und in der Folge der zwanghafte Versuch des Nachweises, dass diese irgendwie zusammengehören - und möglicherweise auch an einer finsteren gemeinsamen Strategie zur Erlangung der medialen Weltherrschaft arbeiten?
Im Wesentlichen handelt die "Studie" dann jedoch von Jürgen Elsässer. Die Analyse dessen Arbeit wird sogleich versucht nach dem Prinzip des Pars-pro-toto auf Ken Jebsen zu übertragen, ohne sich die Positionen oder Arbeiten des Deutsch-Iraners selbst genauer anzuschauen.
Doch ist Wolfgang Storz hier tatsächlich einer alternativ-medialen Großverschwörung auf der Spur? Wohl kaum, denn was geflissentlich in der "Studie" ignoriert, von Sabine Schiffer aber nachgereicht wird, sind eindeutige Distanzierungen etwa von Jebsen in Richtung Elsässer. Verwiesen wird z.B. auf eine Erklärung vom 24. Mai 2014, die ersterer mitunterzeichnete und künftig keine Berührungspunkte mehr mit dem Compact-Herausgeber hatte.
Dieser bezeichnete Jebsen in Reaktion auf die Distanzierung sogar öffentlich gemeinsam mit Pedram Shahyar abfällig als "Linksglobalisten" und bezichtigte die beiden der "Zerrstörung der zentralen Mahnwachen-Organisation". Wörtlich heißt es:
"Die zentrale Struktur um die einst große Berliner Montagsdemonstration [...] wurde von Linksglobalisten wie Pedram Shayar und Ken Jebsen übernommen und von jedem, der die nationale Souveränität Deutschlands verteidigen will, gesäubert."
Vorgänge, die alle bis heute öffentlich nachlesbar und belegbar sind. Doch Wolfgang Storz geht es ganz eindeutig nicht um eine vorurteilsfreie Analyse alternativer Medien. Hier soll gezielt im Gewand angeblicher Wissenschaftlichkeit Rufschädigung betrieben und eine angebliche gesellschaftliche Gefahr konstruiert werden, die vom Gebrauch alternativer Medienangebote ausgeht. Wer so argumentiert, muss das Gefühl haben, dass die eigenen Felle davon schwimmen.
Das offenbar gewünschte Ergebnis ließ indes nicht lange auf sich warten: Mit Matthias Meisner im Tagesspiegel und auf Zeit online und Steven Geyer in der Frankfurter Rundschau und der Berliner Zeitung griffen ausgerechnet zwei Schreiber die "Studie" auf, die in den vergangenen Jahren durch massive Verleumdungsversuche gegen die neue Friedensbewegung und alternative Medien aufgefallen sind. Wenig überraschend auch, dass die taz mit von der Partie ist. Im Deutschlandfunk-Gespräch mit Brigitte Baetz durfte Wolfang Storz seine schrägen Thesen zudem noch einmal untermauern.
Interessant wäre eine Studie, die dieses Netzwerk einmal etwas genauer untersucht. Denn der Verdacht liegt nahe, dass der mediale Mainstream, der zunehmend an Glaubwürdigkeit einbüßt, hier gezielt versucht, die aufstrebende Konkurrenz alternativer Medienagebote zu attackieren. Schmutzige Tricks, vorgebliche Nachweise aus der digitalen Gerüchteküche und pseudo-wissenschaftliche Verleumdungsversuche sind dabei offenbar kein Tabu. Der eigenen Glaubwürdigkeit tut man sich so mit Sicherheit keinen Gefallen.