Drakonische Strafen für Facebook-Kommentar: Spanien wendet neues Knebelgesetz gegen kritische Bürger an
Am 1. Juli dieses Jahres trat in Spanien das so genannte "Gesetz zum Schutz der Bürger" in Kraft. Hinter der orwellesk anmutenden Bezeichnung verbirgt sich nichts anderes als die eklatante Einschränkung des Demonstrationsrechts und der Meinungsfreiheit. Ein erster Spanier erhielt auf Grundlage des Gesetzes nun eine Strafandrohung und Polizeibesuch, weil er im Internet die Polizei und die Bürgermeisterin von Teneriffa als "Drückeberger" kritisiert hatte. Das harte Vorgehen der spanischen Autoritäten ruft sogar die UN auf den Plan.
Als "Drückeberger" bezeichnete der 27-jährige Spanier Eduardo Díaz die Bürgermeisterin von Teneriffa und die örtliche Polizei auf Facebook. Eine Demokratie müsste derartige Kritik an den Herrschenden und den Behörden eigentlich aushalten. Doch in Spanien sieht man dies neuerdings offenbar anders. Nur wenige Stunden nach dem Posting standen die Gesetzeshüter vor der Tür von Díaz und informierten ihn darüber, dass sein Kommentar ein Bußgeld zwischen 100 und 600 Euro zur Folge haben wird.
Grundlage für die Repressalien ist das am 1. Juli 2015 in Kraft getretene "Gesetz zum Schutz der Bürger", was von den vermeintlich "Geschützen" jedoch nur "Ley mordaza" ("Knebelgesetz") genannt wird. Tatsächlich sehen viele Kritiker, und so auch der nun belangte Díaz, die verschärfte Gesetzeslage als Anschlag auf das Versammlungsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Die New York Times nannte das Gesetz in einem Artikel vom 22. April 2015 gar "franqusitisch" und zog Parallelen zur Zeit der Diktatur in Spanien.
Auf Grundlage des "Bürgerschutzgesetzes" können in Spanien auch drakonische Strafen für die Verbreitung von Demonstrationsaufrufen via Facebook oder WhatsApp verhängt werden. Ein Jahr Haft droht nun für derartige "Vergehen". Aufrufe zu Demonstrationen, die später "eskalieren", werden mit 30.000 bis 600.000 Euro Strafe belegt und sind damit de facto existenzvernichtend. Dabei spielt nich einmal eine Rolle, ob die Beschuldigten selbst Veranstalter oder Anmelder der Demonstration sind. Ein einfaches Weiterleiten des Aufrufes reicht aus, um wie ein Krimineller behandelt zu werden.
Die Motivation hinter dem Gesetz ist für Kritiker daher eindeutig: Gerade in dem europäischen Land, in welchem sich seit 2011 eine lebendige Protestbewegung etabliert hat, aus der auch die Bewegungspartei Podemos hervorging, sollen die Bürger nun zum Schweigen gebracht werden. Wer damit rechnen muss, mit kleinstem Widerspruch seine Lebensgrundlage zu zerstören, wird sich künftig kaum noch kritisch ins politische Geschehen einmischen. Eine offensichtlich gewollte Entpolitisierung der spanischen Bevölkerung ist die Folge.
Neben Aktivisten und politisch mündigen Bürgern befinden sich auch Journalisten im Fadenkreuz des neuen Knebelgesetzes. Publikationen, die etwa Pressefotos von Polizisten bei Ausschreitungen zeigen, müssen künftig mit 30.000 Euro Strafe rechnen. Für kleine Medien, kann ein derartiges Bußgeld den finanziellen Todesstoß bedeuten. Die Folge: Proteste, sofern sie überhaupt noch stattfinden, und Polizeigewalt gegen die verbliebenen Demonstranten werden künftig unsichtbar.
Neben der EU-Kommission zeigten sich auch die Vereinten Nationen, Verfassungsrechtler und verschiedene Journalistenverbände besorgt, denn dass das Gesetz nicht bloß ein Papiertiger ist, zeigt die jüngste Anwendung der neuen Paragraphen gegen Eduardo Díaz.
Es ist zudem zu befürchten, dass die autoritären Maßnahmen in Spanien Vorbildcharakter für andere europäischen Staaten haben könnten. Nicht nur in Spanien wächst der Unmut gegenüber den herrschenden Verhältnissen. Was läge da näher, als diesen Unmut einfach zu kriminalisieren? Die vielbeschworenen "europäischen Werte" bleiben dabei, wie so oft, auf der Strecke.