ARD mal selbstkritisch: Programmbeirat bestätigt Publikumskritik an Ukraine-Berichterstattung
"Fragmentarisch”, "tendenziös”, "mangelhaft” und "einseitig”. Der Programmbeirat der ARD hat auf seiner Sitzung die Berichterstattung der größten öffentlichen Medienanstalt über den Ukraine-Konflikt scharf kritisiert.
Die ausgestrahlten Inhalte hätten teilweise den "Eindruck der Voreingenommenheit erweckt” und seien "tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen” gerichtet, heißt es im Protokoll des neunköpfigen Gremiums, das RTdeutsch vorliegt und zuerst vom Infoportal Telepolis veröffentlicht wurde. Wichtige und wesentliche Aspekte des Konflikts seien von den ARD-Redaktionen "nicht oder nur unzureichend beleuchtet” worden, insgesamt zeigte sich die Berichterstattung "nicht ausreichend differenziert”, urteilt die Medienkontrollinstanz.
Insgesamt stellt der Programmbeirat nach einer umfangreichen Analyse in zehn Punkten eine unzureichende Arbeit der ARD fest. So hätten beispielsweise differenzierte Berichte über die Verhandlungen der EU mit der Ukraine über das Assoziierungsabkommen gefehlt. Die "politischen und strategischen Absichten der NATO” bei der Osterweiterung seien so gut wie nicht thematisiert worden. Die Frage nach der Legitimation des "sogenannten Maidan-Rats” und der "Rolle der radikal nationalistischen Kräfte, insbesondere Swoboda” sei in keiner Weise thematisiert wurden. Ebenso wenig sei deren Verantwortung beim Scheitern "der Vereinbarung zur Beilegung der Krise in der Ukraine vom 21. Februar” beleuchtet worden.
Darüber hinaus wird kritisiert, dass die "Verfassungs- und Demokratiekonformität” der Absetzung Janukowitschs sowie die Rolle rechtsradikaler Kräfte bei dessen Sturz nur unzureichend Gegenstand der ARD-Berichterstattung waren. Ebenso hätte sich der Beirat eine kritische Analyse von Politikern wie Julia Timoschenko und Vitali Klitschko gewünscht. Gerade in jüngster Zeit fehlten zudem "belastbare Belege für eine Infiltration durch russische Armeeangehörige”.
Besonders negativ werden die Weltspiegel-Ausgaben des Bayrischen Rundfunks mit einer "einseitigen, fast schon an die Sprache des Kalten Krieges gemahnenden Moderation" sowie der "Bericht aus Berlin" eingeschätzt. Bei den Talkshows der ARD hätten zudem schon die Titel "häufig antirussische Tendenzen" erkennen lassen.
Empfehlungen des Programmbeirats an die ARD
Die Mitglieder des Programmbeirats empfehlen der ARD "eine gründlichere Recherche durch die politischen Redaktionen". Angesichts der Fortdauer der Krise sei es wünschenswert, auch noch "im Rückblick Recherche und Information" zu verstärken. Das Ziel sollte es sein, mehr Dokumentationen und Hintergrundberichte zu produzieren, um die Entwicklungen in der Ukraine "nachvollziehbar zu machen".
Ob diese Empfehlungen umgesetzt werden, ist jedoch fraglich, denn der Programmbeirat hat nur eine beratende Funktion. Denn nach Informationen von Telepolis werben hochrangige Führungskräfte wie der Intendant Tom Buhrow und der Fernsehdirektor Jörg Schönenborn, beide aus dem WDR, intern offensiv für eine redaktionelle Linie, die sich darauf konzentriert, die "westlichen Positionen zu verteidigen". Insbesondere Tom Buhrow soll in der Konferenz der Gremienvorsitzenden der ARD auf die kritischen Anmerkungen durch den Beirat "extrem aufgebracht und teilweise unsachlich" reagiert haben.
Angesichts solcher Aussagen dürfen wir uns wohl trotz der Klatsche des ARD-Programmbeirates auf business as usual in der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen einstellen. Immerhin gibt es jetzt als Gegengewicht RTdeutsch.