WikiLeaks veröffentlicht Selektorenliste Teil III: Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Zentrum der Überwachung

WikiLeaks veröffentlicht einen dritten Datensatz von NSA-Selektoren, der erneut die umfassende Bespitzelung der deutschen Regierung durch die US-amerikanische NSA belegt. Diesmal im Zentrum: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Diesem wird zugeschrieben im Jahre 2003 selbst eine maßgebliche Rolle bei der Organisation der Überwachungsstrukturen über den Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt gespielt zu haben. Während der Generalbundesanwalt weiterhin keinen Anlass für Ermittlungen in Überwachungsfragen sieht, geht dieser nun gegen die Netzaktivisten-Plattform netzpolitik.org vor.
Während die Bundesregierung weiterhin die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses sabotiert, und den Abgeordneten die Einsicht in die geforderten Selektorenlisten verwehrt, mit denen die NSA und ihre Partnerdienste großflächig Deutschland ausspionieren, macht WikiLeaks Nägel mit Köpfen. Ginge es nach dem Kanzleramt, dürfte nur der jüngst ernannte Kurt Graulich Einblick in die geheimdienstlichen Spähziele erhalten. Der 65-jährige Jurist war früher Richter am Bundesverwaltungsgericht und kann keine besonderen IT-Kenntnisse vorweisen. Schon allein diese Personalie zeigt, dass es den Verantwortlichen in Berlin mehr um Vertuschung als um Aufklärung zu gehen scheint. Das nun schon dritte Paket von NSA-Selektoren veröffentlichte WikiLeaks am gestrigen Abend. Nachdem die vorangegangenen Veröffentlichungen zeigten, wie sehr sich die US-Dienste für deutsche Ministerien im Allgemeinen interessieren und wie sehr Merkels persönliches Umfeld im Zentrum der Überwachung steht, belegen die erneuten Leaks das umfassende Ausspionieren deutscher Außenpolitik. Besonders Außenminster Frank-Walter Steinmeier steht dabei im Fokus. Die Echtheit der Überwachungsziele wird auch diesmal mit einem Transkript aus den Abhörprotokollen der NSA belegt. Im konkreten Fall berichtet der Geheimdienst von einem Besuch Steinmeiers in den USA kurz nach dessen Amtsantritt im Jahre 2005. Zuvor berichteten Medien in Deutschland von Entführungsflügen mit anschließender Folter seitens der CIA, worüber sich Steinmeier bei seinen Kollegen aus Übersee erkundigen wollte. Er erhielt keine verwertbare Antwort und zeigte sich erleichtert, dass das Thema damit offenbar für ihn vom Tisch war. Dass ausgerechnet Steinmeier - auch das Handy für parteiinterne Angelegenheiten findet sich auf der Überwachungsliste - derart im Fokus von US-amerikanischer Überwachung steht, ist nicht ganz frei von Ironie. Vorangegangene Enthüllungen rücken den Außenminister und damaligen Kanzleramtsminister in das Zentrum der Verantwortlichkeit für das organisierte Absaugen von Daten vom weltgrößten Internetknotenpunkt DE-CIX in Frankfurt. Die nun veröffentlichten Dokumente reichen bis ins Jahr 2005 und deuten darauf hin, dass das deutsche Außenministerium bereits unter Steinmeiers Vorgänger Joschka Fischer abgehört wurde. Belege dafür, dass die Spionagepraxis mittlerweile eingestellt wurde, gibt es nicht. Trotz der laufenden Enthüllungen durch WikiLeaks hat der Generalbundesanwalt Harald Range seine Ermittlungen in Sachen Kanzlerinnen-Handy Mitte Juni dieses Jahres eingestellt und sieht auch trotz der von WikiLeaks veröffentlichten Dokumente keinen Anlass für neue Ermittlungen. Der vorgebliche Grund: Es gäbe keine Beweise. Dafür ermittelt Range aber nun gegen die Betreiber des Internetportals netzpolitik.org, das umfangreich vom NSA-Untersuchungsausschuss und den Abhöraktivitäten der Geheimdienste berichtet. Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, hatte Anzeige wegen des Verdachts des Verrates von Staatsgeheimnissen erstattet. Auch dieser Fall reiht sich in die gängige Praxis der Bundesregierung und der mit ihr verwobenen Behörden ein: Verfolgt werden die Aufklärer, nicht die Verantwortlichen der anlasslosen Massenüberwachung. Für die staatlichen Autoritäten in Deutschland bedeutet dies einen massiven Verlust von Glaubwürdigkeit und Legitimität. Fakt ist: US-amerikanische Geheimdienste verstoßen gegen deutsches Recht und arbeiten mit Unterstützung des aus Steuergeldern finanzierten Auslandsgeheimdienstes BND aktiv gegen deutsche Interessen. Die politisch Verantwortlichen decken dieses Gebaren, verhindern Aufklärung und bekämpfen kritische Berichterstattung. Der Fisch stinkt vom Kopfe her.