Hat jemand was zu sagen? Whistleblower-Skulpturen laden in Berlin zur Solidarität mit Snowden, Manning und Assange ein
Unterstützt von lokalen Aktivisten stellte der italienische Skulpturist Davide Dormino am vergangenen Freitag auf dem Alexanderplatz in Berlin sein öffentliches Kunstprojekt "ANYTHING TO SAY?" ("Hat jemand was zu sagen?") vor. Das Werk ist eine Hommage an Julian Assange, Chelsea Manning und Edward Snowden. Als massive Bronze-Figuren stehen diese auf jeweils einem Stuhl. Ein vierter Stuhl daneben ist leer und lädt Menschen ein, sich in die Riege der Whistleblower Manning und Snowden und des Herausgebers Assange einzureihen. Das Kunstwerk tritt nach seiner Station in Berlin eine Weltreise an. Unterdessen kündigen Wikileaks und andere Whistleblower-Aktivisten neue Projekte und weitere Enthüllungen zu Geheimdiensten und geplanten Freihandelsabkommen an.
von RT Deutsch-Redakteur Florian Hauschild
Etwa 200 Menschen sind am 1. Mai 2015 gekommen, um Davide Dorminos "öffentliches Kunst-Projekt für die Freiheit" bei dessen Vorstellung am Alexanderplatz in Berlin zu bestaunen. Darunter auch die Wikileaks-Aktivistin Sarah Harrison, die ehemailige MI5-Offizierin und Whistleblowerin Annie Machon und der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Bündnis 90/Die Grünen).
In seiner Rede dankte der italienische Künstler Dormino allen, die bei der Realisierung dieses Projektes halfen. Spenden eines "weltweiten Unterstützer-Netzwerkes des Mutes" ("Movement of Courage") ermöglichten Dorminos Arbeit und die Reise der Skulpturen um den Globus. Dormino weiter:
"Der leere Stuhl ist für uns alle eine Gelegenheit aufzustehen, eine bessere Sicht zu bekommen und unseren Mut zu teilen. Wie es hier in Berlin schon vor einiger Zeit einmal war, als die Mauer überwunden wurde und die Dinge von der anderen Seite aus gesehen werden konnten."
Die Wahl der Symbolfiguren von Dorminos Kunstwerk hat direkten Bezug zum aktuellen Skandal um den BND und seine Partnerdienste. Auf einem Transparent und auf der Internetseite des Projektes heißt es:
"Dank Assange, Snowden und Manning weißt du Bescheid über die Grenzen der Freiheit. Du weißt, du wirst jede Stunde und jeden Tag deines Lebens überwacht, du weißt wie Regierungen töten und mutmaßliche Gegner foltern.
[...]
Diese Statuen sind eine Hommage an drei Menschen, die Nein zu Krieg sagen, Nein zu den Lügen, die zu Krieg führen und Nein zum Eindringen in das Privatleben, das die Fortsetzung des Krieges ermöglicht. Manning, Snowden und Assange haben den Verlust ihrer eigenen Freiheit dafür akzeptiert. Während du weiter frei sein kannst, danke ihnen indem du die Erinnerung daran aufrechterhältst, dass es uns möglich ist, der Zusammenarbeit mit verantwortungsloser Macht eine Absage zu erteilen."
Die Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison, die Edward Snowden auf seiner Flucht nach Russland begleitete und mit dem Whistleblower fast einen Monat lang im Transitbereich des Moskauer Flughafens ausharrte, fügte hinzu:
"Diese Statuen sind eine großartige Erinnerung nicht nur an die heroischen Akte des Mutes dieser drei Menschen, sie erinnern uns auch daran, dass ihre Arbeit weiter geht, dass sie sich in den Debatten beteiligen, die sie angestoßen haben und dass sie weitere Dokumente veröffentlichen werden, auch wenn ihr Recht auf Asyl blockiert wird."
Die ehemalige MI5-Offizierin und Whistleblowerin Annie Machon, die einst unter anderem Mordpläne des britischen MI6 gegen Muammar al-Gaddafi aus dem Jahre 1996 aufdeckte, berichtete von ihrer anschließenden Flucht vor europäischen Geheimdiensten, die Machon und ihrem damaligen Lebensgefährten David Shayler nach dem Leben trachteten. Machon bezeichnete Snowden und Manning als die beiden wichtigsten Whistleblower in der modernen Geschichte und würdigte Assanges Beitrag als Entwickler einer revolutionären Möglichkeit zur Veröffentlichung von Dokumenten, die Staats- und Geheimdienstverbrechen aufdecken.
In der Tat ist die Whistleblower-Szene derzeit recht aktiv. Erst kürzlich stellte Annie Machon zusammen mit Simon Davies in Berlin ihr neues Meta-Netzwerk Code Red vor. RT Deutsch berichtete darüber. Sarah Harrison engagiert sich von Berlin aus, zusammen mit Partnern in Großbritannien und den USA, für die Courage-Foundation, eine internationale Organisation, die Whistleblower unterstützt und schützt. Die Courage Foundation verwaltet unter anderem auch die offiziellen Fonds für die juristische Verteidigung von Edward Snowden und Jeremy Hammond und kündigt an, selbiges auch für künftige Aussteiger, die den Machtmissbrauch ihrer ehemaligen Arbeitgeber aufdecken, zu tun. Dem Kuratorium der Courage Foundation gehören unter anderem der Philosoph Slavoj Žižek, die Whistleblower-Legenden Thomas Drake und Daniel Ellsberg sowie der Journalist und Pulitzer-Preis-Träger Chris Hedges an.
Wikileaks stellte derweil zeitgleich mit der Enthüllung von Dorminos Statuen in Berlin sein neues anonymes Übermittlungssystem der nächsten Generation für Leaks vor. Nach fünf Jahren ist es nun erstmals wieder möglich, geheime Dokumente im geschützter Weise an die Leakingplattform zu übermitteln. Julian Assange kündigte im Zuge dessen auch an, dass die Organisation die Öffentlichkeit schon bald mit neuen Informationen über geplante Freihandelsabkommen und die oftmals in der Illegalität arbeitenden Geheimdienste versorgen wird.
Davide Dormino lässt indes wissen, dass die öffentliche Ausstellung seiner Statuen in Berlin erst der Anfang einer langen Reise ist. Nach ihrer Vorstellung auf dem Alexanderplatz machen die Skulpturen Halt in der ufaFabrik. Es folgen Stationen in Dresden, der Schweiz, den USA und Italien. Es gehe ihm bei seiner Arbeit auch darum, dass Kunst wieder einen sozialen und politischen Einfluss haben soll. Lokale Aktivistengruppen die Dorminos Arbeit unterstützen, oder ihn und seine Skulpturen bei sich begrüßen wollen sind eingeladen mit dem Künstler in Kontakt zu treten.
https://vimeo.com/108788303