Freude, schöne Überwachungsunion? EU-Kommission will morgen europäischen Patriot Act verabschieden
Mit einem "Europäischem Anti-Terror-Zentrum" als Ziel will die EU-Kommission am morgigen Dienstag still und heimlich eine Kopie des US-amerikanischen Patriot Act umsetzen. Die sogenannte "Europäische Sicherheitsagenda" ist de facto eine Art Fünf-Jahres-Plan zur lückenlosen Überwachung europäischer Bürger, umfassende Vorratsdatenspeicherung inklusive.
In der sehr kurz gehaltenen öffentlichen Ankündigung aus Brüssel heißt es in nüchternen Worten:
"Die drei Hauptprioritäten der Europäischen Sicherheitsagenda sind die Bekämpfung von Terrorismus, organisiertem Verbrechen und Cyberkriminalität. Die Agenda wird die Grundlage für gemeinsamen Maßnahmen und die Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und Agenturen, Mitgliedsstaaten, der Zivilgesellschaft und internationalen Partnern bilden."
Die Überwachung zivilgesellschaftlicher Kommunikationswege und der direkte Angriff auf die Privatsphäre der Bürger wird mit einem diffusen, angeblichen Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität begründet.
Neben dem amerikanischen Überwachungsgesetz, dem so genannten "Patriot Act", ist auch die neue französische Gesetzgebung Vorbild für die EU-Initiative. Auffällig dabei ist auch, dass demokratische Grundmerkmale wie die Gewaltenteilung gezielt aufgelöst werden. Das neue französische Geheimdienstgesetz erlaubt beispielsweise Überwachungsmaßnahmen ohne vorherige richterliche Ermächtigung. Die Judikative, als wichtige demokratische Kontrollinstanz, ist damit bei den erweiterten Geheimdienstpraktiken ausgehebelt. Kritiker sprechen von großen Möglichkeiten des Missbrauchs durch Regierungsbehörden und Geheimdienste.
In der EU-weiten Version der neuen Gesetzgebung, die weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird, spielt die bisherige europäische Polizeibehörde Europol eine tragende Rolle. Wie RT Deutsch bereits vergangene Woche berichtet, strebt Europol an, eine Art staatenübergreifender Geheimdienst der EU zu werden. Zu diesem Zweck sollen geheimdienstliche Informationen der Mitgliedsstaaten in Den Haag zusammenlaufen und von dort aus wieder an die einzelnen Stellen verteilt werden.
Teil der Pläne ist auch die stärkere Kontrolle der EU-Außengrenzen, was im direkten Widerspruch zu öffentlichen Angaben einiger EU-Politiker steht, das Problem zunehmender Flüchtlingsströme auf eine angemessene Weise lösen zu wollen.
Besonders problematisch an der neuen Gesetzgebung ist einerseits, dass sie ohne öffentlichen Diskurs durchgesetzt wird, kritische Datenschutz-Gruppen in der Öffentlichkeit aber auch kaum angehört werden. Man könnte glauben, der Mehrzahl der europäischen Bürger sei der Ausverkauf ihrer Grundrechte zu Gunsten diffuser Sicherheitsversprechen weitestgehend egal. Auch in Frankreich wurde das neue Geheimdienstgesetz problemlos ohne gesellschaftliche Widerstände durchgesetzt. Gegenstimmen im Parlament gab es lediglich von den Vertretern der französischen Grünen (Europe Écologie - Les Verts) und der Front National.
Die Tatsache, dass sich viele Bürger bereits aus dem Diskurs verabschiedet haben, kann aber auch bedeuten, dass sie in der Mehrzahl keinen Sinn mehr in gesellschaftlichen Debatten sehen. Wie eine weltweite Umfrage kürzlich ermittelte, lehnen jedoch gleichzeitig über 80 Prozent der jungen Europäer die immer weiter zunehmenden Überwachungsmaßnahmen ab und solidarisieren sich mit dem Whistleblower Edward Snowden.
Wie Snowden werden viele seiner Unterstützer möglicherweise auch einfach einen eher unorthodoxen Weg gehen, um ihrer Ablehnung gegen sich immer weiter aufbauende westliche Überwachungsstaaten Ausdruck zu Verleihen. Der entstandene Druck wird sich dann einfach auf andere Art und Weise entladen.