Meinung

"Vierzig enthauptete Babys" werden den Westen zerstören

Die Meldung über durch die Hamas enthauptete israelische Babys entpuppt sich als Fake News. Was auch immer die Schöpfer dieser Falschmeldung damit erreichen wollten – sie wird Anhängern der Palästinenser als Rechtfertigung dafür dienen, Berichten proisraelischer Medien gar nichts mehr zu glauben.
"Vierzig enthauptete Babys" werden den Westen zerstörenQuelle: AFP © MAHMUD HAMS / AFP

Von Irina Alksnis, RIA Nowosti

Weltweit berichten Medien auf den Titelseiten über ein schreckliches Verbrechen der Hamas, die angeblich eine ganze Siedlung in Israel massakriert und dabei auch 40 Kinder getötet hat, von denen einige enthauptet wurden.

Diese Nachrichten sind vermutlich Lügen – Fake News. Wie es dazu kam, ist inzwischen auch bekannt. Am Dienstagabend berichtete Nicole Zedek, Korrespondentin des israelischen Auslandssenders i24news, über das abscheuliche Verbrechen im Kibbuz Kfar Aza. Die Information verbreitete sich natürlich mit Windeseile um die Welt. Ein paar Stunden später kam ein Dementi von Beamten aus Tel Aviv, die sagten, sie wüssten nichts davon. Die Journalistin begann sich zu rechtfertigen, dass sie von Soldaten, die unter dem Stress des Geschehens standen und nicht genau beschreiben konnten, was sie sahen, darüber informiert wurde. Die Fälschung hatte sich da bereits verselbständigt und heute wird sie auf den Titelseiten der Times und anderer westlicher Medien erscheinen.

Interessant wird sein, wie es mit der Falschmeldung weitergeht.

Würde es sich um eine Fiktion über Russland handeln, würde sie zweifellos immer wieder aufgegriffen und aufgebauscht werden, um dann, wenn sie ihren Zweck erfüllt hat, still und leise in den Medienarchiven zu verschwinden. Wenn es jedoch um den palästinensisch-israelischen Konflikt geht, sind die Dinge komplizierter. Die öffentliche Meinung im Westen (vor allem in Europa) ist in dieser Frage stark gespalten: Die öffentliche Unterstützung für Palästina ist dort traditionell stark.

Und sie beschränkt sich keineswegs vorrangig auf die muslimische Diaspora, die dort in den letzten Jahrzehnten enorm gewachsen ist. Die europäische Linke neigt vielmehr traditionell zu propalästinensischen Positionen, die Rechte wiederum zu proisraelischen Positionen.

Die Aktionen der Hamas am 7. Oktober beeindruckten die Welt zunächst durch ihre Effektivität (das israelische Verteidigungs- und Sicherheitssystem brach für mehrere Stunden zusammen) – und schockierten gleichzeitig die Welt durch ihre Brutalität, der Hunderte von Zivilisten zum Opfer fielen. Es war eine einmalige Chance für den jüdischen Staat, die Unterstützung (oder zumindest Neutralität) der Weltgemeinschaft zu gewinnen und die Lage in der Region wieder zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Diese Chance hat Israel vertan, denn die dann angewandten Methoden waren nicht besser als die der Hamas:  die Zerstörung ganzer Wohnviertel in Gaza durch Bombardierung, die totale Blockade von drei Millionen Menschen, das grausame Verbot der Lieferung von humanitären Gütern aus Ägypten nach Gaza mit der Zerstörung des einzigen Grenzübergangs.

Die Welt sieht, wie der gegenseitige Hass auf die Spitze getrieben wird und sich beide Seiten weigern, das Kriegsvölkerrecht und grundlegende humanitäre Prinzipien einzuhalten. In einem solchen Konflikt ist es für einen unbeteiligten Beobachter unmöglich, sich für eine Seite zu entscheiden. Sympathie und Mitgefühl hervorrufen kann keine der beiden Parteien mehr, indem sie sich etwa den Grundsätzen von Humanismus und Moral noch verpflichtet zeigt. Das ist auch der Grund, warum der größte Teil der Welt nur noch eine ganz einfache und klare Position vertritt: Alle Gewalt muss aufhören – und Israel muss endlich den von der UNO vor langer Zeit gefassten Beschluss zur Gründung eines palästinensischen Staates akzeptieren und auch umsetzen.

Im Westen hingegen ist die Situation viel komplizierter. Für ihn ist der palästinensisch-israelische Konflikt keine ferne Angelegenheit, wie es etwa die Kriege im Irak oder in Afghanistan waren. Die Ukraine hat bereits deutlich gemacht, dass die segensreichen Zeiten solcher westlichen Militäraktionen vorbei sind, in denen die US-amerikanischen und europäischen Bürger in keiner Weise beeinträchtigt wurden. Aber der Nahe Osten ist noch schlimmer, auch und gerade wegen der großen arabischen und allgemein muslimischen Gemeinschaft im Westen selbst.

Selbst in den Vereinigten Staaten von Amerika, die traditionell dem Staat Israel festen Rückhalt bieten, hat sich unabhängig von der Parteizugehörigkeit der derzeitigen Regierung eine einflussreiche propalästinensische Lobby herausgebildet und verstärkt, und zwar in der Demokratischen Partei der USA.

Die Fake News über enthauptete Kinder waren ein unfreiwilliges Geschenk von Nicole Zedek an die Gegner Israels, denn sie sind jetzt ein unschlagbarer Trumpf in den Händen der Anhänger Palästinas, um nun umgekehrt alle Medien und Politiker, die ihnen nicht wohlgesonnen sind, der Lüge und der proisraelischen Propaganda zu bezichtigen. Dabei handelt es sich in erster Linie um einen innerwestlichen Konflikt. Und die Medien, die die eigentlich schon vor ihrer Verbreitung entlarvte Lügengeschichte veröffentlichten, haben ihrer ohnehin schon angeschlagenen eigenen Glaubwürdigkeit einen weiteren Schlag versetzt.

Ein solcher "Journalismus" beleidigt auch die echten Opfer des Anschlags vom 7. Oktober – als ob deren Tod nicht ausgereicht hätte, um den gewünschten medialen und politischen Effekt zu erzielen. Aber das soll auf deren Gewissen lasten – auf dem von Nicole Zedek und auf denen ihrer Kollegen, die solche Lügen verbreiten. Wie schon mehrmals gesagt: beide Seiten dieses Konflikts sind keine Musterknaben in Sachen Moral und Humanismus. 

Übersetzung aus dem Russischen und im Original am 11. Oktober 2023 auf ria.ru erschienen.

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