Meinung

Blinkens Nettigkeiten mit China verblassen neben Bidens freimütigen Äußerungen

Wenn US-Präsident Joe Biden sein chinesisches Gegenüber Xi Jinping einen "Diktator" nennt, dann spiegelt dies die Haltung Washingtons sehr viel ehrlicher wider als das diplomatische Auftreten des US-Außenministers.
Blinkens Nettigkeiten mit China verblassen neben Bidens freimütigen ÄußerungenQuelle: AFP © Leah Mills / Pool

Von Rachel Marsden

Kaum hatte US-Außenminister Antony Blinken die Wogen im Verhältnis zum chinesischen Präsidenten Xi Jinping neu geglättet, gab es in Bidens Sprach- und Denkzentrum während einer Spendenaktion der Demokraten in Kalifornien wieder eine kurze Störung und er begann damit, einige Wahrheitsbomben abzuwerfen.

"Der Grund, warum Xi Jinping sehr verärgert darüber war, als ich den mit Spionageausrüstung vollgestopften Ballon habe abschießen lassen, ist, dass er nicht wusste, dass er da war. Das ist eine große Peinlichkeit für Diktatoren, wenn sie nicht wissen, was um sie herum geschieht",

sagte der US-Präsident.

Die Beschimpfung war zwar noch nicht ganz auf dem Niveau eines Donald Trump, trug aber auch nicht dazu bei, "die Würde des Amtes wiederherzustellen", wie Biden es während seines Präsidentschaftswahlkampfs versprochen hatte. Noch wichtiger ist, dass seine Bemerkung weit jenseits der neutralen diplomatischen Haltung liegt, die Blinken nach seinem Treffen in Peking einnahm, um die Spannungen mit dem chinesischen Präsidenten abzubauen.

"Wir haben gesagt, was wir zu sagen hatten, und klargestellt, was wir klarstellen müssen, damit so etwas nicht noch einmal passiert, und solange es nicht wieder passiert, sollte dieses Kapitel abgeschlossen werden",

berichtete Blinken gegenüber den Medien, offenbar ohne zu wissen, dass Biden mit diesem Kapitel noch nicht ganz fertig war.

Während Bidens Kontrolle über sich selbst nachlässt, weicht die staatsmännische Höflichkeit, die man normalerweise von Staats- und Regierungschefs der Welt erwarten würde, jener Art von Gesprächen in Hinterzimmern, die eher für Karrierebürokraten typisch sind, deren Macht und Einfluss konstant bleiben, während Präsidenten kommen und gehen.

Vergangenes Jahr bezog sich Biden mit ähnlichen Worten auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das veranlasste den Kreml dazu, auf Bidens "Gereiztheit, Müdigkeit und Vergesslichkeit zu verweisen, die schließlich zu seinen aggressiven Äußerungen führen". Ein bisschen wie der ältere Onkel, der zu einer Familienhochzeit geht und seinen Widerstand gegen diese Hochzeit kundtut, wenn die versammelte Festgemeinde vom Pfarrer gebeten wird, jetzt das Wort zu ergreifen oder für immer zu schweigen. Der Kreml ignorierte Bidens Äußerungen mit einem Schulterzucken und fügte hinzu, dass Russland "lieber auf scharfe Äußerungen verzichten wolle, um keine weiteren Aggressionen auszulösen".

Man soll Opa nicht in Rage versetzen, sonst wettert er den ganzen Tag weiter, bis er schließlich zu Bett geht.

Twitter-Inhaber Elon Musk verwies vor ein paar Tagen in Reaktion auf einen routinemäßigen Biden-Tweet auf die vom Team Biden sorgfältig verwaltete Fassade. "Bitte geben Sie ihm das Passwort, damit er seine eigenen Tweets verfassen kann. Bitte, ich flehe euch an!", schrieb der Tech-Milliardär. Die Diskrepanz zwischen Bidens kuratierten und den rohen Realitäten kann manchmal so deutlich sein, wie damals, als sein Twitter-Account dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan zu dessen jüngsten Wahlsieg gratulierte, obwohl Biden den türkischen Präsidenten zuvor als "Autokraten" bezeichnet hatte, dessen Opposition von den USA unterstützt werden sollte.

Was bedeutet dieser Fauxpas also für die Beziehungen zwischen den USA und China?

"Die entsprechenden Äußerungen vonseiten der USA waren äußerst lächerlich und unverantwortlich. Sie haben grundlegende Fakten und diplomatische Protokolle sowie die politische Würde Chinas ernsthaft verletzt. Es war eine offene politische Provokation",

antwortete das chinesische Außenministerium auf Bidens Äußerungen. Wenn überhaupt, bestätigen die Bemerkungen nur die Doppelzüngigkeit der amerikanischen Führung.

"Verjage das Natürliche und es wird einfach zurückkommen", lautet ein französisches Sprichwort. Trotz aller oberflächlichen diplomatischen Feinheiten haben die USA nicht damit aufgehört, die militärischen Spannungen in Chinas Hinterhof in Zusammenhang mit Taiwan zu schüren. Sie haben auch nicht damit aufgehört, ihre Verbündeten davon zu überzeugen, sich ihrem Kreuzzug anzuschließen. Washington hat Länder von Europa bis Asien unter Druck gesetzt, China zugunsten der USA wirtschaftlich zu isolieren, und dabei den Begriff "Risikoreduzierung" geprägt.

Aber mit zunehmender Multipolarität steigt auch die Zahl der Möglichkeiten zum Ausstieg aus Washingtons Reigen des Druckaufbaus durch Androhung von Sanktionen, Entzug der Entwicklungshilfe oder ähnlichen Instrumenten. Pakistan zum Beispiel, dessen US-Hilfe gekürzt wurde, weil es sich weigerte, den Anweisungen aus Washington in Afghanistan nachzukommen, nahm kürzlich eine direkte Lieferung russischen Öls entgegen und bezahlte es in chinesischen Yuan statt in US-Dollar – ein weiterer Schritt, der die USA aus der globalen Wirtschaftshegemonie verdrängt.

Die Ausrutscher von Biden sind auch weitaus repräsentativer für die außenpolitischen Realitäten Washingtons als jede diplomatische Fassade, wenn es um die aggressive Haltung gegenüber chinesischen Unternehmen geht. Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit haben die USA im vergangenen Dezember den Verkauf von Telekommunikationsausrüstung der Hersteller Huawei und ZTE verboten – ein Schritt, der gerade erst in diesem Monat von der Europäischen Union nachgeahmt wurde, die jedes Mal, wenn Washington sie darum bittet, scheinbar ohne Rücksicht auf die eigenen Interessen von der Klippe springt.

Der Freestyle-Beleidigungs-Rap von Joe Biden wird Washingtons ohnehin heikle Beziehungen zu konkurrierenden Nationen wahrscheinlich nicht nennenswert beeinträchtigen. Schon allein deshalb nicht, weil das, was er sagt, bereits mit der Realität übereinstimmt, die hinter den oberflächlichen Feinheiten längst existiert – und das weiß niemand besser als jene, die schon zum Objekt von Bidens Beschimpfungen geworden sind.

Aus dem Englischen.

Rachel Marsden ist eine Kolumnistin, politische Strategin und Moderatorin eines unabhängig produzierten französischsprachigen Programms, das auf Sputnik France ausgestrahlt wird. Ihre Webseite finden man unter rachelmarsden.com

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