Kiew wollte ein neues "Butscha" inszenieren – in Kachowka ist es misslungen
Von Wladimir Kornilow
Wir sind seit Langem daran gewöhnt, dass nach jeder Tragödie, nach Explosionen oder politischen Skandalen der Westen sofort Russland beschuldigt – und zwar unabhängig von Argumenten und Beweisen. Die Situation mit der Zerstörung des Staudamms von Kachowka und der nachfolgenden Tragödie ist keine Ausnahme. Dennoch gibt es charakteristische Details, die davon zeugen, dass die Informationsoperation "Butscha 2.0" auf dieser Etappe seitens der Ukraine gescheitert ist.
Freilich wurde Russland sofort beschuldigt. Zumindest wird alles dafür getan, dass beim westlichen Bürger keine Zweifel verbleiben, wer genau hinter dem Dammbruch steht. Doch im Gegensatz etwa zu Butscha, der Vergiftung der Skripals und ähnlichen Geschichten bringen die westlichen Medien diesmal keine direkten Beschuldigungen Russlands vor, sondern versuchen, sie den eigenen oder eingeladenen Experten und Analysten in den Mund zu legen.
Zu einem bezeichnenden Beispiel wurde die Titeländerung der Bild. Nachdem die Zeitung kurz nach dem Geschehen die Nachricht "Russen sprengen riesigen Staudamm in der Ukraine" veröffentlichte, änderte das Boulevardblatt den Titel schnell zu einem neutraleren: "Riesiger Staudamm in der Ukraine gesprengt". Die Mitarbeiter der Zeitung waren sogar gezwungen, sich für eine solch plötzliche Änderung in der Darstellung der sensationellen Nachricht zu entschuldigen.
Zahlreiche Fernsehkanäle wählten ein vorsichtigeres Vorgehen und beschuldigten Russland nicht direkt, sondern durch das Zitieren von ukrainischen Politikern und Verweise auf Meinungen von "Experten". Jene machten in den Live-Sendungen einstimmig Äußerungen der Art: "Persönlich habe ich keine Zweifel, dass es Russland getan hat" oder "Nur Russland hatte ein Motiv, dies zu tun". Doch immerhin klang dies wie eine persönliche Meinung.
Die gleiche Taktik wählten auch die wichtigsten westlichen Zeitungen. Beispielsweise verkündete die niederländische De Volkskrant auf ihrer Titelseite: "Viele verweisen darauf, dass die Sprengung des Damms das Ergebnis russischer Sabotage ist." Im eigentlichen Artikel wurde dann deutlich, dass es sich bei diesen "vielen" allein um den pensionierten Befehlshaber der niederländischen Landstreitkräfte, General Mart de Kruif, handelt, der behauptete: "Es gibt keine Zweifel, dass es die Russen getan haben."
Ein weiteres bezeichnendes Beispiel – die Zeitung Financial Times veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel, der beim Leser keine Zweifel hinterlassen sollte: "Russland erhält große Vorteile durch den Bruch des ukrainischen Damms". Begleitet wurde der Artikel durch eine "Analyse" des eigenen Redakteurs Ben Hall: "Moskau sendet Signale, wie weit es für die Eskalation des Krieges gehen kann". Hall erklärte, dass Russland durch die Vernichtung des Wasserkraftwerks von Kachowka angeblich die ukrainische Wirtschaft schwäche, indem ihre kritische Infrastruktur zerstört wird. Selbstverständlich erfahren die Leser nicht, dass das Wasserkraftwerk seit einem Jahr vom ukrainischen Energiesystem abgeschaltet gewesen war und sich auf einem Gebiet befand, das Russland offiziell beigetreten war. Wozu braucht das britische Publikum schon solche Kleinigkeiten!
Genauso fleißig ignorierten die westlichen Medien in ihren Artikeln zu den Motiven der Sabotage das Interview des ukrainischen Generals Kowaltschuk, der im Dezember letzten Jahres gestanden hatte, dass er mithilfe der US-amerikanischen HIMARS bereits Löcher in den Staudamm geschossen hatte, um die weitläufigen Gebiete im Süden zu überschwemmen. Damals wurde dieses Interview als etwas Selbstverständliches in den westlichen Medien zitiert und diskutiert. Die brutalen Pläne der ukrainischen Führung, die mit den USA abgestimmt waren (bekannterweise kann ein HIMARS-System ohne eine Koordination mit den Militärsatelliten der USA nicht betrieben werden), machten niemanden stutzig. Damals ertönte im Westen keine einzige Stimme, dass diese Pläne den Konventionen der UNO widersprechen. Heute geben die gleichen Medien vor, dieses Interview vergessen zu haben, und hüllen sich darüber in Schweigen.
Dafür zitierten sie alle mit Vergnügen die großartigen Schlussfolgerungen des US-amerikanischen Instituts für Kriegsstudien (ISW), eines Familienbetriebs des Clans von Victoria Nuland. Dessen Fazit ist in der Tat erschütternd:
"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann das ISW die Verantwortung für den Zwischenfall vom 6. Juni nicht endgültig festlegen, ist aber der Meinung, dass die Balance von Beweisen, Argumentation und Rhetorik dafür spricht, dass die Russen den Damm vorsätzlich beschädigten."
"Die Balance von Argumentation und Rhetorik" überbietet wohl die bekannte Formel "highly likely", die von der britischen Führung nach der Vergiftung der Skripals in die Welt gesetzt wurde. Im Übrigen tat sich auch der britische Ministerpräsident Rishi Sunak hervor und erklärte, dass er sich vorerst einer Schuld Russlands nicht sicher sei. Darauf fügte er hinzu: "Doch wenn es die Wahrheit ist, ist es ein ungeheuerlicher Akt der Barbarei vonseiten Russlands." Aus irgendeinem Grund kam in Großbritannien niemand auf die Idee, Sunak zu fragen: Und was, wenn es nicht die Wahrheit ist? Wenn sich herausstellt, dass es die Ukraine getan hat, wie im Fall der Sprengung von Nord Stream? Doch wir wissen schon die klassische Antwort: "Das ist etwas anderes."
In vielerlei Hinsicht war es wohl die Geschichte der Nord-Stream-Pipelines, die für eine verhaltenere Reaktion der westlichen Medien und Staatschefs sorgte. Sie wagen es nicht, Russland ganz offen einer Tat zu beschuldigen, die es nicht begangen hat. Die Erklärung, wonach "Russland sich selbst beschießt" oder "das absolute Böse ist und daher Böses nur zum finsteren Vergnügen tut", zieht nicht mehr. Deswegen kam das Szenario "Butscha 2", mit dem Kiew rechnete, ins Stocken. Klar ist aber, dass in der Zukunft weitere Provokationen, auch im Informationsbereich, zu erwarten sind.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei RIA Nowosti.
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