Meinung

"Suizidale Neigungen": Sacharowa nennt Europas möglichen Verzicht auf russisches Erdöl Selbstmord

Ursula von der Leyen glaubt an einen "Balanceakt", bei dem sich die wirtschaftlichen Schäden der Sanktionen für die EU in Grenzen halten ließen. Aber Lieferstrukturen werden sich langfristig umorientieren, so Experten. Und die Preise steigen weiter.
"Suizidale Neigungen": Sacharowa nennt Europas möglichen Verzicht auf russisches Erdöl SelbstmordQuelle: Sputnik © Russian Foreign Ministry

Autoren: Alexander Karpov, Aloena Medvedeva  

Die Verweigerung russischer Erdöllieferungen durch die EU im Rahmen des sechsten Sanktionspakets wird für die EU zum Selbstmord. Dies erklärte die russische Diplomatin und Pressesprecherin Maria Sacharowa. Zuvor meldete die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, dass die vollständige und sofortige Absage der EU von den Käufen russischen Erdöls für Moskau von Vorteil sein könnte, da der Rückgang von Exporten in die EU auf anderen Märkten kompensiert werde. Gleichzeitig bezeichnete der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán die Diskussion über das EU-Embargo gegen russisches Erdöl als kontraproduktiv, da es keinen Konsens gebe. Die Experten stellen fest, dass die EU-Länder nicht wissen, wie sie auf Russland Einfluss nehmen können, sodass sie weiterhin einen selbstmörderischen Kurs verfolgen, der ihren Volkswirtschaften schadet.

Der Verzicht Europas auf russisches Erdöl im Rahmen des sechsten Sanktionspakets wird zum Selbstmord führen. Das sagte die Diplomatin und Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa.

"Dann wäre das ein echter Selbstmord für die EU. Man sollte das verstehen. Es sind suizidale Neigungen. Das können sich Menschen leisten, die kein Denkvermögen besitzen, doch Experten und Fachwissen ist in der EU vorhanden. Und sie verstehen sehr wohl, dass dies ein kollektiver Selbstmord ist", äußerte die Diplomatin gegenüber Radio Sputnik.

Zuvor berichtete Maria Sacharowa von dem aktiven Ausbau der Infrastruktur Russlands für die Lieferung von Energieträgern in den Osten.

"Unsere naheliegende Antwort ist offensichtlich: Eine Neuausrichtung der russischen Erdöl- und Gasexporte wird erforderlich sein. Natürlich ist das keine einfache Aufgabe, deren Lösung eine Änderung der Lieferketten nach sich zieht. Russland ist aktiv dabei, die Infrastruktur für den Export von Kohle, Erdöl und Gas in den Osten auszubauen, wie Sie wissen", machte die Pressesprecherin des Außenministeriums auf der Pressekonferenz deutlich.

Die Diplomatin unterstrich, dass die globale Nachfrage nach Energie, insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum, stetig wachsen werde, weshalb es "keinen Zweifel an der Nachfrage nach russischen Energieressourcen" gebe. Sacharowa teilte unter anderem mit, dass das Exportvolumen von Kohlenwasserstoffen aus Russland zurückgegangen sei, sich die Einnahmen aufgrund des deutlichen Preisanstiegs jedoch nicht verringert hätten.

"Das sogenannte Embargo, dessen Verhängung von der EU so lebhaft besprochen wird, könnte die Erdölpreise weiter in die Höhe treiben", erklärte die Diplomatin.

Aufgeschobenes Embargo

Wir erinnern, dass die EU-Länder einen vollständigen Verzicht auf russisches Erdöl und ein Embargo für dessen Einfuhren erörtern – als Teil des sechsten Pakets von Sanktionen und restriktiven Maßnahmen gegen Russland. Bislang haben die europäischen Länder jedoch keinen gemeinsamen Standpunkt in dieser Frage gefunden.

Außerdem sagte die Chefin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender MSNBC am 23. Mai, dass die Europäische Union nicht in der Lage sei, ein vollständiges und sofortiges Verbot für russische Energieträger einzuführen. Ihren Worten zufolge wird Russland die Exportvolumen auf den Weltmarkt umleiten können, die es in Europa nicht verkaufen konnte, und zwar zu höheren Preisen.

"Es sollte immer ein Balanceakt sein, um keinen allzu großen Schaden für unsere Wirtschaft anzurichten, schließlich haben die Sanktionen die stärkste Hebelwirkung, die wir gegen die russische Aggression haben, die Aggression Putins. Wir sollten vorsichtig damit sein: Wenn wir uns heute auf einmal von diesem Erdöl verabschieden, könnte es sein, dass er (Putin – RT) dieses Erdöl, das er nicht an die Europäische Union verkaufen kann, auf den Weltmarkt bringt, wo die Preise ansteigen werden und es dann zu einem höheren Preis verkauft und das füllt seinen Militäretat", erklärte die EU-Funktionärin.

Zur gleichen Zeit bekräftigte die Chefin der Europäischen Kommission am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos, dass das Erdölembargo gegen Russland auf dem bevorstehenden EU-Ratsgipfel keine Zustimmung finden werde.

"Ich halte diese Angelegenheit nicht für den Europäischen Rat geeignet, denn es geht um viele technische Fragen. Die Rede ist von Ländern ohne Zugang zum Meer, die eine alternative Versorgung über Pipelines benötigen, folglich müssen wir über Investitionen in Pipelines diskutieren und die Versorgung erhöhen. Wir sprechen hier von Raffinerien, die einer Modernisierung bedürfen, von Investitionen und von erneuerbaren Energien", zitierte Politico ihre Worte.

Einer der Hauptgegner des absoluten Verbots von russischem Erdöl ist die ungarische Regierung. Wie Financial Times berichtete, ließ der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán dem Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, einen Brief zukommen, in dem er seine Weigerung ausdrückte, das Thema auf dem bevorstehenden Gipfel zu diskutieren.

"Eine Besprechung des Sanktionspakets auf der Führungsebene wäre kontraproduktiv, beim Fehlen eines Konsenses. Dies würde lediglich unsere internen Differenzen bekräftigen, ohne eine realistische Chance, diese zu bewältigen. Deshalb schlage ich vor, das Thema auf der nächsten Tagung des Europäischen Rats auszulassen", zitiert die Financial Times den Text des Schreibens.

Orbán wies ferner darauf hin, dass Budapest ein sechstes Sanktionspaket gegen Russland nicht unterstützen könne, ohne die Finanzierung zu besprechen, die Ungarn zur Bewältigung der Auswirkungen eines Embargos benötigen würde. Zuvor hatte die Europäische Kommission einen Plan für den Ausstieg aus der Erdölversorgung Russlands vorgestellt, der 210 Milliarden Euro für diesen Zweck vorsieht.

Der Ministerpräsident Ungarns betonte, dass der Plan eines Verzichts auf Erdöl aus Russland keine spezifische finanzielle Unterstützung für europäische Staaten vorsehe, die von solchen Importen abhängig sind und über keinen Zugang zum Meer verfügen.

"Es fehlen Hinweise zu den Details und der Zeitrahmen für die Finanzierung des dringenden Investitionsbedarfs im Zusammenhang mit der Substitution des russischen Erdöls", betonte Orbán.

Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó forderte kürzlich von der EU eine Kompensation für den Verzicht auf russisches Erdöl in Höhe von 15 bis 18 Milliarden Euro.

Suizidaler Kurs

In einer Reihe von Ländern der EU bestehe eine starke Abhängigkeit vom russischen Erdöl, erinnerte Wjatscheslaw Kulagin, Direktor des Zentrums für das Studium der Weltenergiemärkte am Institut für Energieforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften, gegenüber RT.

"Dabei liegen die Probleme nicht ausschließlich in der Verfügbarkeit des Energieträgers und bezüglich des Preises. Für diejenigen Länder, welche am stärksten vom russischen Erdöl abhängig sind, wird ein Lieferstopp die Schließung von Raffinerien bedeuten, dadurch den Verlust von Arbeitsplätzen und Schwierigkeiten bei der Suche nach anderen Erdölquellen. In der Tat ist dies für zahlreiche Länder Europas ein ernstes Anliegen", so der Gesprächspartner gegenüber RT.

Selbst wenn Ungarn von der Europäischen Union eine Entschädigung zugesprochen bekommt, was derzeit noch diskutiert wird, wird die Unterbrechung der russischen Erdöllieferungen den Energiesektor und die Wirtschaft des Landes empfindlich treffen, so Wjatscheslaw Kulagin.

"Ein beliebiger abrupter Übergang, selbstverständlich, wird Ungarn hart treffen. Das betrifft nicht nur Ungarn, sondern auch zahlreiche andere Staaten, besonders in Ost- und Mitteleuropa", erklärte der Gesprächspartner gegenüber RT.

Der Versuch, ein totales Verbot für Erdöl aus der Russischen Föderation zu verhängen, habe ausschließlich politische Motive, fügte Wjatscheslaw Kulagin hinzu.

"Es besteht der Wunsch, Russland einen Nachteil zu bereiten, doch sie finden keine anderen Möglichkeiten, dies zu tun. Beim Versuch der westlichen Länder, die wichtigsten Einnahme- und Exportquellen Russlands zu torpedieren, wurde der Markt unterschätzt und die Preissteigerung nicht berücksichtigt, welche einen Verlust kompensieren kann. Jetzt, nachdem sie gesehen haben, dass die steigenden Energiepreise zu Deviseneinnahmen in Rekordhöhe für Russland geführt haben, ist die Erkenntnis gereift, dass Sanktionen nicht wirken. Weil aber nichts anderes erfunden wurde, geht das Spiel auf den Energiemärkten weiter", erzählte der Experte.

Offensichtlich ist, dass der Prozess der Verhängung von Sanktionen gegen Russland von den USA angeführt wird, die bereit sind, die europäische Wirtschaft zu opfern, um Russland einzudämmen, meint der Politikwissenschaftler Alexander Asafov.

"Verschiedene europäische Unternehmen haben erklärt, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Geschäftstätigkeit fortzusetzen, sollte es zu einem Verzicht auf Energieressourcen aus Russland kommen. Da die Sanktionen eine amerikanische Initiative sind, kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass Washington eine Konfrontation mit Russland bis zum letzten Europäer anstrebt und bereit ist, die EU-Wirtschaft mit Sanktionen zu zerstören", unterstrich der Politikwissenschaftler.

Dennoch scheinen die europäischen Politiker die umgekehrte Wirkung der Sanktionen gegen Russland zu ignorieren, und somit bleibt Europa weiterhin auf einem selbstmörderischen Kurs, fügte Alexander Asafov hinzu.

"Das wird noch einige Zeit so andauern, bis der Schaden für die Weltwirtschaft unumkehrbar geworden ist und die Einsicht dessen entsteht, dass die Frage anders angegangen werden muss, und nicht allein durch harten antirussischen Druck", schlussfolgerte der RT-Gesprächspartner.

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