Europa

Steinmeier: Deutschland hat Zuwanderungsgrenze erreicht

Gegenüber einer italienischen Zeitung erklärte Bundespräsident Steinmeier, er verstehe den Hilferuf Italiens angesichts des jüngsten Flüchtlingszustroms. Aber Deutschland stehe selbst an der Grenze der Belastbarkeit und könne keine weiteren Migranten mehr aufnehmen. Man müsse einen EU-weiten Umverteilungsmechanismus einrichten.
Steinmeier: Deutschland hat Zuwanderungsgrenze erreichtQuelle: www.globallookpress.com © Britta Pedersen / dpa

Deutschland könne keine weiteren Migranten aufnehmen, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Interview gegenüber der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. Er habe Mitgefühl für Italien, das von einem neuen Zustrom von Migranten überwältigt wurde. Um das Problem zu lösen, müsse ein wirksamer EU-weiter Umverteilungsmechanismus geschaffen werden. Über das Interview berichtete am Donnerstag auch die Welt.

Die italienische Tageszeitung interviewte Steinmeier am Mittwoch kurz nach seiner Ankunft zu einem offiziellen Besuch in Italien. Dabei ging es unter anderem um den jüngsten Anstieg der Zuwanderung und deren Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Berlin und Rom. Der deutsche Bundespräsident sprach sich zunächst dafür aus, dass Italien die Krise nicht allein zu bewältigen haben sollte. Zudem lobte er das Land dafür, "dass es in den letzten Jahren so viel humanitäre Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen, die über das Mittelmeer gekommen sind, gezeigt hat".

Er nehme "die Hilfeersuchen der italienischen Städte sehr ernst", aber den deutschen Städten gehe es in dieser Hinsicht nicht besser, da beide Länder "schwere Lasten zu tragen" haben.

"Deutschland ist wie Italien an der Grenze seiner Belastbarkeit", erklärte Steinmeier.

Er verwies auf die "starke Zuwanderung von den östlichen Grenzen aus Syrien, Afghanistan" sowie auf die Ankunft von "über einer Million Flüchtlinge aus der Ukraine". In den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben 162.000 Menschen in Deutschland Asyl beantragt. Der Bundespräsident forderte eine "gerechte Verteilung in Europa" durch die Einrichtung eines "permanenten Solidaritätsmechanismus" sowie stärkere Kontrollen an den EU-Außengrenzen.

Vergangene Woche berichtete Die Welt unter Berufung auf Vertreter des Innenministeriums, Berlin habe Ende letzten Monats die Praxis der Aufnahme von Migranten, die über Italien einreisen, vorübergehend ausgesetzt. Die Zeitung zitierte Beamte, wonach der "freiwillige Solidaritätsmechanismus" auf Eis gelegt worden sei, weil Italien sich konsequent geweigert habe, die Dublin-Verordnung einzuhalten. Entsprechend der Verordnung muss der Antrag eines Asylbewerbers von dem Land bearbeitet werden, in dem er zuerst ankommt.

Der Welt zufolge habe Rom die anderen EU-Mitgliedsstaaten im Dezember darüber informiert, dass es die Rückführung von Migranten nach Italien "für einen begrenzten Zeitraum" wegen "plötzlich auftretender technischer Probleme" im Kontext der Aufnahmekapazität des Landes aussetze. Diese Aussetzung sei seither in Kraft geblieben, so der Bericht.

Seit Jahresbeginn hätten nach Angaben des italienischen Innenministeriums 89.158 illegale Migranten das Mittelmeer erfolgreich überquert – ein Anstieg von 115 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2022.

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